Grand Cru
bestätigen könnte?« Bruno blickte auf das Mädchen im Porsche. »Vielleicht eine Madame Dupuy?«
Dupuys Gesichtshaut nahm die Farbe seines Polohemdes an. »Das bezweifle ich, nicht um diese Zeit.«
»Und Ihre Geschäftsadresse, wenn ich bitten darf.«
Er öffnete wieder seine Brieftasche und zupfte eine Visitenkarte daraus hervor, mit der er sich als
chef d'entreprise,
als Geschäftsführer einer nach ihm benannten Consulting-Firma mit Sitz an der Avenue Monceau ausgab. Bruno holte sein Handy aus der Tasche. »Unter dieser Nummer werde ich hoffentlich jemanden erreichen, der für Sie zeugen und mir bestätigen kann, dass Sie der rechtmäßige Halter dieses Fahrzeugs sind, oder?«
»Ja, meine Sekretärin. Aber ich habe doch hier meine Zulassungspapiere und... «
Bruno hob die Hand, drehte sich um und wählte die Nummer von Philippe Delaron, der Hochzeitsfotos machte und für die
Sud-Ouest
regionale Sportereignisse kommentierte. Er wollte den Gelegenheitsreporter bitten, mit seiner Kamera zu kommen. Nachdem er mit ihm gesprochen hatte, wandte er sich wieder der stummen Gruppe zu.
»Ich bin mir nicht sicher, ob hier ein strafwürdiges Vergehen vorliegt oder nicht. Aber natürlich gibt es ja die Möglichkeit einer Zivilklage, für die ich mich gern als Zeuge zur Verfügung stellen würde. Ich möchte Sie nun nur noch um ein wenig Geduld bitten, derweil ich den Schaden in Augenschein nehme«, sagte Bruno betont gravitätisch. »Ich habe zu diesem Zweck einen Fotografen hierhergebeten, der mir gelegentlich dabei hilft, strittige Sachlagen zu dokumentieren.«
»Meinen Sie etwa Philippe, der Fotos für die Zeitung schießt?«, fragte Nathalie. Mit Genugtuung bemerkte Bruno, dass Dupuys rot angelaufenes Gesicht plötzlich aschfahl wurde.
»Madame«, entgegnete er, »würden Sie jetzt bitte von der Kühlerhaube steigen. Hier ist alles unter Kontrolle, und Sie könnten sich wieder um die Kundschaft im Laden kümmern.« Nathalie trollte sich. Auch die hübsche junge Frau mit den blonden Ringellöckchen rutschte von der Haube, wobei sie sich so ungeschickt anstellte, dass sowohl Hubert als auch Max beflissen herbeisprangen, um ihr zu helfen. Auch Nathalie, seit Jahren mit Hubert verbandelt, hatte bemerkt, wie eifrig ihr Partner um das Mädchen bemüht war, und biss die Zähne aufeinander.
»Hast du unsere neue Praktikantin eigentlich schon kennengelernt?«, fragte Hubert. »Das ist Mademoiselle Jacqueline Duplessis aus Québec. Offenbar sehr schnell im Kopf. Sie war die Erste, die sich auf den Wagen gesetzt hat, als die Flasche am Boden lag und der Kunde abzuhauen versuchte. Sie studiert Weinbau in Kalifornien und wird dieses Jahr für uns arbeiten, um sich mit unseren Traditionen vertraut zu machen. Ihre Familie in Kanada baut einen sehr interessanten Dessertwein an.«
Die junge Frau hielt an Brunos Hand, die er ihr gereicht hatte, ungewöhnlich lange fest und streichelte sie geradezu, als sie schließlich von ihr abließ. Sie grüßte in dem eigentümlichen Tonfall ihres Quebecer Idioms, worauf Bruno seine Arme hinterm Rücken verschränkte und irgendeine höfliche Bemerkung vor sich hin murmelte. Dann steuerte er auf die Kellerei zu, überlegte, wie er am besten vorgehen sollte, und nahm sich vor, die ganze Angelegenheit möglichst diskret zu behandeln.
»Es gibt nichts mehr zu sehen,
Messieurs-dames«,
rief er den Schaulustigen im Eingang zu. »Sie können wieder in den Laden zurückkehren und Ihre Einkäufe fortsetzen.« Lächelnd und mit zur Seite hin ausgestreckten Armen trieb er die Gruppe vor sich her. Dann setzte er wieder seine Amtsmiene auf, wandte sich dem silberhaarigen Galan aus Paris zu und sagte: »Monsieur Dupuy, geben Sie zu, dass Sie eine Flasche Château Petrus zur Hand genommen und fallen gelassen haben?«
»Sie war schmierig und ist mir entglitten.«
»Dann werfen wir jetzt mal einen Blick auf die Scherben. Erlauben Sie, Monsieur de Montignac?«
Die
cave
war einer von Brunos Lieblingsorten. Direkt vor ihm lagerten die eigenen Weine von Hubert de Montignac, denen er seinen großen Erfolg verdankte. Angefangen hatte er damit, Weine verschiedener Erzeuger aus der hiesigen Region zu mischen und als Bergerac-Weine unter seinem Namen zu vertreiben. Dann hatte er einen kleinen Weinberg nahe dem Schloss von Monbazillac erworben, wo er eine Rebsorte anbaute, aus der er seinen süßen, goldenen Dessertwein herstellte. Später ging er eine Partnerschaft mit einem englischen Geschäftsmann ein, der ein
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