Grand Cru
Seltsamerweise hatten sie sich umso leidenschaftlicher geliebt, doch als sie am Bahnhof von Saint-Denis schließlich voneinander Abschied nahmen, gab es keine einzige Träne.
»Sie fehlt mir«, setzte Jean-Jacques nach. »Ihre Nachfolgerin kommt nicht an sie heran. Und ist bei weitem nicht so ansehnlich.«
»Wird sie etwa an diesem Fall mitarbeiten?«
»Nein, zumindest einstweilen nicht. Die Feuerwehr müsste ja auch erst einmal eine formelle Anzeige wegen Brandstiftung stellen. Aber ich hatte kurz nach dem Mittagessen einen dieser diskreten Anrufe aus Paris mit der Aufforderung, möglichst schnell für Aufklärung zu sorgen. Dahinter steckt wohl nicht nur die Sorge wegen irgendwelcher Ökoradikalen. Es scheinen vielmehr Interessen auf höherer Ebene im Spiel zu sein. Was wissen Sie?«
Bruno berichtete ihm vom Einsatz der Feuerwehr, der sonderbaren Wasserleitung und davon, dass das Flurstück früher dem Verteidigungsministerium gehört hatte und dann von der Aktiengesellschaft Agricolae aufgekauft worden war, die dafür aber allem Anschein nach keine Grundsteuer abführte und außerdem ohne Baugenehmigung ein Gebäude darauf errichtet hatte.
»An Ökoradikale glaube ich eigentlich nicht«, fügte er hinzu. »Die wollen doch Publizität und hätten bestimmt Presse und Fernsehen informiert, oder?«
Jean-Jacques zuckte mit den Achseln. Er ließ die Eiswürfel in seinem Glas klackern, schüttete dann Wasser auf seinen Ricard und sah zu, wie sich die Flüssigkeit milchig weiß verfärbte. Er trank einen Schluck. »Ich habe hier in meiner Tasche ein Schreiben des Präfekten an Ihren Bürgermeister mit der Bitte, Sie, Bruno, in die Ermittlungen mit einzubeziehen, damit wir, die ahnungslosen
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aus der Großstadt, von Ihren Ortskenntnissen profitieren. Verstehen Sie's als eine Art Einberufung. Ich habe bereits ein Team zusammengestellt, das sich alle bekannten militanten
écolos
vorknöpfen wird. Inzwischen dürfte auch die Spurensicherung von Bergerac oben auf dem Feld bei der Arbeit sein. Gibt es hier bei Ihnen irgendwelche
écolos?«
»Keine, die unangenehm aufgefallen wären. Einer sitzt im Stadtrat, ein in die Jahre gekommener Hippie, der oben in den Hügeln eine Kommune leitet, die Heimatlose und Landstreicher beherbergt. Sympathischer Kerl und herzensgut. Und dann wäre da noch diese Gruppe, die gegen das Sägewerk protestiert und verlangt, dass es geschlossen wird, weil es angeblich die Luft verpestet. Aber auch das sind keine Radikalen. Bei Wahlen kriegen die Grünen bei uns nicht einmal zehn Prozent. Ich schlage vor, wir schauen jetzt mal bei der Feuerwache vorbei und sprechen mit Albert. Er wird den Laborbericht zwar noch nicht haben, weiß aber bestimmt schon ziemlich genau, ob das Feuer vorsätzlich gelegt wurde oder nicht.«
»Vorsätzlich?«, fragte Fauquet. Der Besitzer des Cafés war stolz auf seinen Ruf, über neuesten Klatsch und Tratsch immer als Erster Bescheid zu wissen. Er beugte sich über die Theke und schob ihnen zwei Tassen Kaffee zu. »Geht aufs Haus. Habe ich richtig gehört, dass Vorsatz dahintersteckt?«
»Nein, davon war nicht die Rede«, schnappte Jean-Jacques und schob seine Tasse so schwungvoll zurück, dass ihr Inhalt überschwappte und Fauquets weißes Hemd bekleckerte. Groß gewachsen und stämmig, wie er war, konnte Jean-Jacques ausgesprochen einschüchternd wirken, auch wenn sein zerknittertes Äußeres eher Mitleid erregte. »Und wenn Sie irgendwelche Gerüchte streuen, schicke ich Ihnen eine Armee argwöhnischer Inspektoren vom Gesundheitsamt auf den Hals. Mischen Sie sich nicht in polizeiliche Angelegenheiten. Haben Sie mich verstanden, Monsieur?«
3
An der Straße nach Les Eyzies stand neben einem alten Gehöft ein schlichtes eingeschossiges Gebäude mit einem, wie Bruno fand, hochtrabenden Namen: Institut für landwirtschaftliche Forschung. Der Bürgermeister war stolz darauf, dafür gesorgt zu haben, dass es nach Saint-Denis gekommen war. Es beschäftigte vier Wissenschaftler, vier Laboranten und ein halbes Dutzend Ortsansässiger, die auf der angeschlossenen Farm und in den Gewächshäusern arbeiteten. Direktor und leitender Wissenschaftler des Instituts war Gustave Petitbon, ein langer, sehr dünner Mann mit krummem Rücken. Er hatte sich in der guten Stube des benachbarten Bauernhauses sein Büro eingerichtet. Dort hockte er nun auf der Kante seines Schreibtisches und bedachte die beiden Polizisten mit trotzigem Blick.
»Was da angebaut wird, ist ein
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