Grand Cru
hatte.
Gigi lief voraus, blieb aber plötzlich stehen, hob wie ein Vorstehhund einen der Vorderläufe und spähte, den Kopf nach vorn gereckt, aufs Wasser. Bruno blinzelte in das von den Wellen reflektierte Sonnenlicht und sah die Umrisse zweier berittener Pferde, die auf ihren langen Beinen durch die Furt stakten. Bellend rannte Gigi ans Ufer, und auch Bruno beeilte sich, Pamela und Fabiola zu begrüßen, als sie aus den Sätteln stiegen.
»Was für ein schöner Tag!«, schwärmte Fabiola. »Ich habe ein Pferd und ein Zuhause, denn bis zur nächsten Saison werde ich in einem von Pamelas
gîtes
wohnen.«
»Mit Jacqueline wären es also nun schon drei wunderschöne Frauen, die zusammen unter einem Dach leben. Sie werden sich vor Verehrern kaum mehr retten können«, sagte Bruno und begrüßte die Reiterinnen mit Wangenküssen. »Aber bleibt denn dann überhaupt ein Pferd übrig, auf dem ich reiten lernen kann?«
»Keine Sorge. Sie können meins haben, wenn ich arbeite«, antwortete Fabiola und ging in die Hocke, um sich mit Gigi bekannt zu machen. »Pamela hat mir von Ihrem Hund erzählt. Kaum zu glauben, dass er mit seinen komischen langen Ohren und kurzen Beinchen für die Jagd geeignet ist. Ist er denn schnell genug?«
»Schnell braucht er nicht zu sein. Aber wenn's sein muss, stellt er der Beute stundenlang nach, bis sie erschöpft ist.«
»Jagen Sie mit ihm auch Verbrecher?«
Bruno schüttelte den Kopf und lächelte. »Das war bislang nicht nötig. Aber einmal hat er einen kleinen Jungen aufgespürt, der sich bei einem Picknick von seinen Eltern abgesetzt und im Wald verirrt hatte.«
»Wenn ich Ihnen jetzt meine Pferde vorstellen dürfte«, sagte Pamela. »Diese Füchsin hier heißt Bess wie unsere Königinmutter. Und das da ist Victoria.«
»Genau die Richtige für mich, sehr freundlich und geduldig«, lobte Fabiola. Sie fischte einen Beutel mit kleinen Möhren aus der Tasche. »Hier, geben Sie ihr das. Tätscheln Sie ihr den Hals, und sie wird Sie mögen.«
Pamela kramte ein paar Zuckerwürfel aus ihrer Tasche und sagte schmunzelnd: »Darin unterscheiden wir uns. Sie als Ärztin verfüttert gesunde Rohkost, ich gebe Naschereien.«
»Mögen die beiden auch Äpfel?«, fragte Bruno und reichte Victoria eine Möhre auf ausgestreckter Hand. Er spürte nur einen warmen Hauch und das leichte Schnappen erstaunlich weicher Lippen. Dann ließ er sich von Pamela ein Stück Zucker geben und verfütterte es an Bess, auf der Hut vor deren Zähnen.
»Sie lieben Äpfel. Bringen Sie ein paar mit, und Sie haben Freunde fürs Leben.«
»Apropos, das wird Sie interessieren«, sagte Fabiola. »Der Pathologe aus Bergerac ist ein Freund von mir. Wir haben in Marseille zusammen studiert. Er bestätigte meine Vermutung, dass der alte Cresseil eine Herzattacke hatte, aber noch lebte, als er stürzte und sich den Hals gebrochen hat.«
»Heißt das, er ist vor Max gestorben?«
»Das weiß allein
le bon Dieu.
Aus medizinischer Sicht lässt sich nur sagen, dass sie wahrscheinlich innerhalb ein und derselben Stunde gestorben sind.« Fabiola zuckte mit den Schultern. »Fest steht, dass Max erstickt ist, nicht ertrunken. In seinen Lungen war kein Most.«
»Und diese Wunde am Kopf?«
»Die allein hätte wohl nicht zum Tod geführt. Mein Freund aus Bergerac sucht noch nach der Ursache. Max hat lange im Fass gelegen. Wir haben ihn dann mit Wasser abgewaschen. Deshalb lässt sich nur schwer bestimmen, wie stark er geblutet hat. Heute Nachmittag will sich der Chefpathologe den Leichnam ansehen. Wir können aber jetzt schon ausschließen, dass Max niedergeschlagen worden ist. Die Holzsplitter in der Wunde stammen eindeutig von dem Fass.«
»Ihr Freund schließt Fremdverschulden aus?«
»Er hat sich noch nicht festgelegt. Die Sache scheint heikel. Er sagt, irgendein Inspektor rufe alle paar Stunden an und verlange eine
attestation.
Vielleicht ist sie heute Nachmittag fertig. Er gibt mir Bescheid.«
»Die Frage, wer zuerst gestorben ist, stellt sich wohl vor allem wegen der Adoption, nicht wahr?«, bemerkte Pamela.
Bruno nickte. »Es gibt da offenbar ein paar Cousins, die erben werden, wenn Cresseil Max überlebt hat, und sei es nur um wenige Minuten. Aber es wird auch sonst wahrscheinlich zu einem Gerichtsverfahren kommen. Übrigens, heute Abend findet in der Landkommune eine Trauerfeier statt, eine Art Totenwache nach irischer Tradition. Es werden etliche Leute da sein, die Rugbymannschaft, Schulfreunde. Wollen Sie nicht auch
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