Grand Cru
kommen, mit mir?«
»Gern«, antwortete Pamela spontan. »Ich war Zeugin bei der Adoption und fühle mich deshalb dem Jungen irgendwie verbunden. Jacqueline wird wahrscheinlich auch da sein. - Kommen Sie doch auch mit, Fabiola. Sie bekommen so Gelegenheit, die halbe Stadt kennenzulernen. Nicht alle sind Hypochonder.«
»Welche von Pamelas Wohnungen haben Sie bezogen?«, fragte Bruno.
»Die neben dem Stall. Sie ist wunderschön, hell und luftig und genauso eingerichtet, wie ich es mag, ganz schlicht. Sie ist vielleicht ein bisschen zu groß für mich, aber Jacqueline wohnt in der kleineren.«
»Haben Sie sie schon getroffen?«
»Nur kurz, heute Morgen, als wir die Pferde gesattelt haben. Armes Mädchen, sie sieht sehr mitgenommen aus. Vielleicht sollte ich ihr ein Schlafmittel verschreiben.«
»Würden Sie sie bitte zur Feier heute Abend einladen?«, sagte Bruno. »In meinem Transporter ist nicht genug Platz für alle, aber ich könnte um sieben bei Ihnen sein und Ihnen den Weg zeigen. Allein würden Sie das Dörfchen wahrscheinlich nicht finden. So, und nun werde ich bei Fauquet frühstücken. Wie wär's, haben Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«
»Mit Vergnügen.« Pamela lächelte. »Das hatten wir ohnehin vor. Fauquet sieht es gern, wenn ich mein Pferd vor seinem Café parke. Er sagt, es lockt Kundschaft an. Wussten Sie, dass er hinterm Gartentörchen eine Schaufel für den Mist bereithält? Damit düngt er die Rosen, auf die er so stolz ist.«
»Ja, die haben ihm schon viele Preise eingebracht«, nickte Bruno. »An der Wand im Café hängen all die Urkunden von der Blumenmesse in Bergerac, gleich neben seinem Zertifikat als
maître pâtissier.
Aber Ihre Rosen, Pamela, sind nicht weniger schön. Vielleicht sollten Sie Fauquet auf der Messe im nächsten Jahr Konkurrenz machen.«
»Er würde es mir bestimmt krummnehmen, wenn ich gewänne.« Sie lachte. »Und dann bekäme ich bei ihm wahrscheinlich nur noch Kaffee mit Bodensatz, trockene Croissants und krumme Baguettes. Das wäre doch schrecklich.«
Gestärkt vom Frühstück, erreichte Bruno die Domaine als Erster. Es freute ihn, zu sehen, dass in der Kellerei fleißig gearbeitet wurde. Julien tauchte sein langes Thermometer in die Fässer und machte sich Notizen. Seine rechte Hand, der alte Baptiste, nahm mit einer langen Glaspipette Proben. Beide strahlten, als sie Bruno kommen sahen.
»Du bist früh dran«, sagte Julien und warf einen Blick auf seine Uhr. Frisch rasiert und ordentlich gekleidet, war er heute ein ganz anderer als die ungepflegte Erscheinung, die Bruno bei seinem letzten Besuch angetroffen hatte. »Ich habe hier noch zu tun.«
»Lass dich nicht aufhalten. Ich werde inzwischen bei Mirabelle vorbeischauen und ihr einen guten Tag wünschen«, erwiderte Bruno. »Schön, dich bei der Arbeit zu sehen. Ich dachte allerdings, der Wein könnte sich jetzt selbst überlassen bleiben.«
»Wir probieren was Neues aus«, sagte Julien. »Baptiste hat mich darauf gebracht. Mehr Fruchtaroma durch mehr Hautkontakt. Bevor die Trauben gepresst werden, lassen wir sie sechs Stunden im Fass ruhen. Wir experimentieren erst einmal nur mit einer Fassfüllung und sehen, was daraus wird.«
»Hast du schon einen Vorgeschmack?«
»Dazu ist es noch zu früh, aber ich verspreche mir einiges. Die Gärtemperatur ist normal, und meine Sorge, dass der Most zu bitter werden könnte, scheint unbegründet.«
»Du sorgst dich zu viel«, meinte Baptiste. Er führte die Pipette über ein Glas, hob den Daumen, mit dem er das obere Ende des Glasröhrchens verschlossen gehalten hatte, und ließ den jungen Wein einlaufen. »Probier mal«, sagte er und reichte Bruno das Glas.
»Sehr fruchtig«, befand der. »Und überhaupt nicht bitter.«
»Mirabelle ist auf ihrem Zimmer. Du kannst zu ihr, die Tür ist offen«, sagte Julien. »Sag ihr hallo. Wir sehen uns dann um zehn in der Halle.«
Mirabelle war auf. Sie trug einen weiten Kaftan, hatte sich einen Turban um den Kopf gewickelt, ein wenig Rouge aufgelegt und die Lippen nachgezogen. Nur die eingefallenen Lider und der fahle Blick verrieten, dass sie krank war. Als sich Bruno zu ihr hinabbeugte, um ihr einen Kuss auf die Wangen zu drücken, nahm er einen Hauch Chanel Nummer 5 wahr.
»Ich werde bei den Verhandlungen dabei sein und nicht zulassen, dass Julien alles hinwirft.«
»Schön, zu sehen, dass es dir bessergeht.«
»Ja, heute geht es mir zum Glück ganz gut«, erwiderte sie. »Seit deinem letzten Besuch scheint
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