Grand Cru
sich auch Julien berappelt zu haben. Er hat fast wieder seinen alten Schwung. Hör zu, ich will, dass er die Kaufoption zurückzieht. Die fünfzigtausend, die zurückzuzahlen sind, werden wir schon irgendwie auftreiben. Es ist wichtig. Denn wenn ich nicht mehr da bin und er nicht weiß, was er mit seiner Zeit anstellen soll, wird er verkümmern. Ich kenne ihn.«
»Gibt es keine andere Möglichkeit, Mirabelle? Er könnte doch so oder so die Kellerei leiten und seinen Wein produzieren. Es bliebe fast alles beim Alten. Für das Hotel und Restaurant hat er sich ohnehin nie wirklich interessiert.«
»Aber beides, Kellerei und Gastronomie, müssen in einer Hand bleiben. Nur so können wir überhaupt Gewinn machen, nämlich indem wir unseren Wein über das Restaurant verkaufen. Wenn er nur Wein anbaut, werden die
négociants
die Preise drücken so wie bei allen kleinen Erzeugern. Würdest du mich jetzt bitte in die Halle führen, damit ich unsere Gäste begrüßen kann?«
Als Bruno ihr über die Stufen half, fuhr der alte Citroën des Barons vor. Ihm entstiegen der Baron, Gérard Mangin und Vauclos, der Direktor der Bank in Saint-Denis. Wenig später kam Hubert mit seinem Mercedes in Begleitung von Jacques Lesvignes, der das größte der kleinen Bauunternehmen von Saint-Denis leitete. Es folgte Xavier in seinem Renault; der junge
maire-adjoint
brachte seinen Vater, einen Renault-Händler, und seinen Schwiegervater mit, den Besitzer der Sägemühle. Als Julien von der Kellerei herbeieilte, rollte ein alter Jaguar in den Hof. Am Steuer saß Dougal, ein gebürtiger Schotte, der nach Saint-Denis gekommen war, um dort seinen Lebensabend zu genießen, dann aber aus Langeweile das Unternehmen »Reizvolle Dordogne« gegründet und sich auf die Vermittlung von Ferienwohnungen spezialisiert hatte. Er beschäftigte zahlreiche Handwerker und Putzfrauen und war somit einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Der Bürgermeister hatte, wie Bruno lächelnd bemerkte, die wichtigsten Geschäftsmänner von Saint-Denis zusammengetrommelt. Julien schüttelte allen die Hand und führte sie in die Halle, wo sie von Mirabelle in Empfang genommen und gebeten wurden, unter dem Porträt von Madame Récamier Platz zu nehmen.
»Ich glaube, wir müssen davon ausgehen, dass sich die Amerikaner zurückziehen«, begann der Bürgermeister. »Der Erbprinz steht unter Arrest, und viele von uns hatten ohnehin Bedenken, ob ein so großer Partner für unsere kleine Stadt überhaupt wünschenswert ist. Einen wichtigen Vorteil hat uns die ganze Vorgeschichte allerdings schon gebracht. Wir dürfen nämlich darauf hoffen, dass unsere Weine aoc-zertifiziert werden, und dieses Gütesiegel verdanken wir vor allem deiner Domaine, Julien. Darum meine erste Frage an dich. Wie sehen deine Pläne aus?«
»Ich habe zwei Probleme. Das erste wäre die an Bondino abgetretene Kaufoption. Ich könnte sie zurückkaufen, habe aber nicht das nötige Geld dafür. Das zweite ist, ich habe zum falschen Zeitpunkt auf Expansion gesetzt. Wir haben inzwischen eine regelrechte Weinschwemme, die Preise sind im Keller, und ich produziere mehr, als ich über das Hotel und Restaurant absetzen kann. Ich müsste Werbung machen und geeignete Marketingstrategien entwickeln, aber auch dafür fehlt mir das Geld.«
»Wir haben einen Vorschlag für dich ausgearbeitet, der von allen unterstützt wird«, sagte der Bürgermeister und erläuterte, dass jeder der Anwesenden bereit sei, in eine neu zu gründende Aktiengesellschaft, die Vignerons de Saint-De-nis-sur-Vézère, zu investieren, an der auch jeder Bürger der Stadt Anteile erwerben könnte. Diese Gesellschaft würde das Geld für den Rückkauf der Kaufoption vorstrecken. Julien könnte Hotel und Weinberg behalten und seine Überschüsse von Hubert vermarkten lassen.
»Darüber hinaus haben wir beschlossen, Cresseils Besitz günstig aufzukaufen und dem neuen Unternehmen einzugliedern«, sagte der Baron und schilderte in kurzen Worten die problematische Erblage. Der Bürgermeister hatte Cresseils Cousins zweiten Grades in Tulle ausfindig gemacht, die sich auf einen unverhofften Gewinn freuten, tatsächlich aber einen langen Rechtsstreit zu gewärtigen hatten. Sie wollten morgen zur Beisetzung erscheinen.
»Wir werden ihnen vorschlagen, uns ihren Anspruch auf den Besitz für fünfzigtausend in bar zu verkaufen. Wenn nötig, wäre ich bereit, auch mehr zu zahlen. Ich glaube aber, Sie werden anbeißen«, fuhr der Baron fort. »Einen Teil davon
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