Grand Cru
schützen, der aus dem Ausland daherkommt und einen Jungen aus Saint-Denis kaltmacht.«
»Setzen Sie sich, Jean-Jacques. Und wie wär's, wenn Sie meinem Chef hallo sagten.« Bruno nahm mit Erleichterung zur Kenntnis, dass der Bürgermeister sein Handy weggesteckt hatte und sich zu ihnen umdrehte.
»Monsieur le maire«,
murmelte Jean-Jacques und streckte ihm artig die Hand entgegen.
»Schön, dass Sie sich wieder beruhigt haben, Jean-Jacques. Ich fürchtete schon, Sie könnte der Schlag treffen, und das wäre nicht nur peinlich für Saint-Denis, sondern auch ein großer Verlust für die
police nationale«,
sagte der Bürgermeister. Er hielt an Jean-Jacques' Hand fest und führte sie langsam auf und ab im Rhythmus seiner Worte, die auf den Chefinspektor tatsächlich beruhigend zu wirken schienen.
»Es freut mich, Sie wiederzusehen, Jean-Jacques. Ich erinnere mich sehr gut an Ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit mit unserem
chef de police,
zuerst bei der Aufklärung des Banküberfalls und letztens, als es darum ging, Licht ins Dunkel um den toten Araber zu bringen. Sie beide verkörpern für mich auf beispielhafte Weise die guten Beziehungen zwischen den ausführenden Organen unserer Justiz. Setzen wir uns doch. Ich genehmige mir einen Cognac. Und Sie, Jean-Jacques?«
Der Bürgermeister schüttelte immer noch die Hand des Chefinspektors, was diesen merklich verunsicherte. Er schaute Bruno an, der ihm mit Unschuldsmiene zulächelte, warf einen verlegenen Blick auf die Zuschauer in der Tür zur Bar, seufzte herzhaft und nahm Platz.
»Whisky, einen schottischen«, sagte Jean-Jacques und richtete sein Gesicht gen Himmel. »In Frankreich gibt's nicht weniger als sechsunddreißigtausendfünfhundertundfünfundsechzig Kommunen. Wieso um alles in der Welt lande ich ausgerechnet immer wieder hier?«
»Weil Sie bei uns willkommen sind«, antwortete Bruno, stand auf und ging an ihm vorbei zur Tür, um zu bestellen. »Cognac für den Bürgermeister und zwei doppelte Glenfiddich.«
Als er ihm wieder gegenübersaß, sagte er: »Was halten Sie von folgendem Vorschlag? Wir setzen Bondino auf freien Fuß und lassen ihn in seinem Hotel übernachten. Abtauchen kann er nicht. Wir haben seinen Pass und könnten ihm auch die Wagenschlüssel und seine Brieftasche wegnehmen. Wenn Sie wollen, passe ich die ganze Nacht auf ihn auf.«
»Wozu das gut sein soll, müssten Sie mir schon noch näher erklären«, entgegnete Jean-Jacques, als René die Drinks brachte.
»Ihr großes Problem besteht darin, dass der Pathologe noch kein Fremdverschulden an Maxens Tod attestiert hat. Mit anderen Worten, von Mord kann bislang keine Rede sein. Darauf wird der
juge d'instruction
als Erstes abheben, und auch Bondinos Anwalt, sobald er einen hat.«
»Der Bericht liegt morgen vor«, sagte Jean-Jacques.
»Und wennschon, jeder clevere Anwalt würde mächtig auf den Putz hauen und Beschwerde führen, dass wir seinen Mandanten über Nacht festgehalten haben, obwohl das, was wir ihm zur Last legen, noch gar nicht feststeht. Geben Sie ihn in meinen Gewahrsam, Jean-Jacques, und Sie sind aus dem Schneider.«
Jean-Jacques nippte an seinem Glas und dachte nach.
Bruno ließ nicht locker. »Hören Sie, solange der Fall für den Haftrichter noch nicht reif ist, stehen Sie in der Schusslinie. Wie dem auch sei, morgen können Sie das Verhör ja fortsetzen, den lieben langen Tag, wenn nötig.«
»Bruno hat recht«, sagte der Bürgermeister, worauf ein längeres Schweigen einsetzte. Jean-Jacques schlürfte seinen Whisky.
»Wenn ich ihn unter Ihre Aufsicht stelle, mache ich Sie verantwortlich, wenn er stiften geht.«
»Die Verantwortung übernehme ich«, sagte der Bürgermeister. »Ich bin Brunos Vorgesetzter.«
»Na schön.« Jean-Jacques nickte. »Morgen früh Punkt acht will ich ihn in der Gendarmerie haben. Und dann fahren wir in die Zentrale nach Perigueux.«
»Gegen Mittag werden Sie wahrscheinlich den amerikanischen Botschafter und eine kleine Armee hochbezahlter und zweisprachiger Anwälte in Ihrem Büro vorfinden«, prophezeite der Bürgermeister und schob einen Geldschein unter sein Glas.
»Dann werde ich ihn jetzt mal aus seiner Zelle holen.« Bruno leerte sein Glas und stand auf.
37
Wortlos, mit gesenktem Haupt und ausdrucksloser Miene ließ sich Bondino von Bruno aus dem Keller der Gendarmerie nach draußen führen. Als Bruno die Beifahrertür seines Transporters öffnete und ihn aufforderte einzusteigen, blickte er überrascht auf und fragte:
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