Grandios gescheitert
die Bischofsweihe zu empfangen.
Zwischen diesem Kreuzzug und der Teilnahme an einem weiteren – jetzt gegen die Katharer in Südfrankreich – wurde in Beauvais eine folgenschwere Entscheidung getroffen: 1225 hatte ein Brand den Chor der alten Kathedrale zerstört, aber natürlich hätte man den Bau wie nach vorangegangenen Bränden wiederherrichten können. Das jedoch kam für Bischof Milon offenbar nicht in Frage, und er ergriff flugs die Gunst der Stunde. Auf seine Veranlassung und unter seinem Vorsitz kam nach dem Brand der alten Kirche das Domkapitel zusammen, und Milon setzte seinen Plan eines ganz neuen Kirchenbaus durch. Zweifellos schielte er dabei auch auf andere Bischofsstädte, die im modernen Stil neue Kathedralen bauten – allen voran das nahe gelegene Amiens, wo die Arbeiten seit 1220 in Gang waren, aber auch Chartres und Bourges. Bischof Milons neue Kathedrale stellte also auf mehrerlei Art und Weise ein Renommierprojekt dar: im Hinblick auf die Krone, der gegenüber die Eigenständigkeit des Bistums behauptet werden sollte, im Konkurrenz- und Geltungskampf mit seinen Bischofskollegen in nah und fern sowie als Ausweis fürstbischöflicher Macht über Stadt und Bistum. Wie viel persönliche Baulust und individueller Geltungsdrang des nachgeborenen Adelssprosses mit hineinspielten, lässt sich nicht mehr beurteilen.
Der große Maßstab des Unternehmens verlangte natürlich nach solider Finanzierung. Dafür sagte der Bischof über einen Zeitraum von zehn Jahren ein Zehntel seiner Einkünfte, nicht zuletzt aus Steuergeldern der Bürgerschaft von Beauvais, für den Neubau zu. Die Domkanoniker versprachen ein Ähnliches, und die gesamte Diözese wurde ebenfalls zur Kasse gebeten. Milon scheint sich finanziell übernommen zu haben, denn ein Chronist berichtet von immensen Schulden und päpstlicher Hilfe durch zwei Grafschaften in Italien, die dem Bischof einige Jahre später übertragen wurden.
Mit dem Beschluss des Domkapitels stand dem Beginn der Arbeiten nichts mehr im Wege. Sobald Absprachen getroffen und die nötigen Fachleute und Handwerker verpflichtet worden waren, also eine arbeitsfähige Dombauhütte bereitstand, konnte es losgehen. Weder der Bischof noch seine Kanoniker, noch die Bürger und Gläubigen, deren Finanzmittel verwendet wurden, konnten aber darauf hoffen, die Vollendung des Projekts noch persönlich zu erleben. In einigen Fällen wurden die gotischen Kathedralen schnell erbaut, so die Pariser Sainte-Chapelle oder ein Großteil der Kathedralen von Amiens und Reims.
Im Allgemeinen aber nahm die Errichtung einer gotischen Kathedrale mehrere Generationen in Anspruch, dauerte selten weniger als ein halbes Jahrhundert. Die Initiatoren mochte aber die Gewissheit beseelen, dass sie zu einem Bauwerk beitrugen, welches gleichermaßen Gottes Herrlichkeit als auch Reichtum und Unabhängigkeit der Diözese Beauvais aller Welt unübersehbar vor Augen führen würde, und dass ihnen ihr Engagement im Jenseits positiv verbucht werde. Der Blick auf die mächtige Baustelle, auf der Säulen und Mauern in die Höhe wuchsen, dürfte ihnen also ein gutes Gefühl vermittelt haben, auch wenn die Gottesdienste jahrelang in einem halb abgerissenen Gotteshaus stattfinden mussten. Aber dereinst würde die Stadt ein Kirchenbau zieren, von dem alle Welt ehrfürchtig sprach – vorausgesetzt, die Finanzierung blieb gesichert und es traten keine Ereignisse ein, die den Baufortschritt behinderten. Dass jedoch stattliche 800 Jahre nach ihrem Beschluss zum Neubau die Kathedrale Saint-Pierre de Beauvais noch immer nicht fertig sein würde – und es wohl auch nie mehr werden wird –, vermochten sich die Initiatoren wohl kaum vorzustellen.
Bald nach 1225 begannen die Arbeiten an der neuen Kathedrale. Vom Architekten wissen wir bedauerlicherweise nichts, auch Baupläne sind nicht überliefert. Die gab es höchstwahrscheinlich auch gar nicht, denn aus der Zeit vor 1250 existiert kein einziger Bauplan einer gotischen Kathedrale. Das wurde zum oft beklagten Problem späterer Generationen, die sich mit Vermutungen den Absichten der Ursprungsarchitekten annähern mussten. Im Falle von Beauvais waren diese Absichten überaus ehrgeizig: Eine fünfschiffige Basilika sollte es werden, dazu ein dreischiffiges Querhaus mit hoch aufragenden Türmen. So etwas hatte selbst die aufwendige Architektur bisheriger gotischer Gotteshäuser noch nicht vollbracht. Und es verlangte neben erheblichen finanziellen Aufwendungen auch ein
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