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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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ersetzt wird: Wärme: varmo , warm: varma . Kälte: frosto , kalt: frosta . Mit einem -e am Ende wird daraus ein Adverb. Verben enden im Infinitiv stets auf -i . Die Endungen der Verben sind in allen Konjugationsformen gleich: Ich brülle: mi kriegas . Er spricht: li parolas . Ihr lernt: vi lernas . Für die verschiedenen Zeitformen ändert sich an der Endung der Vokal: i für Vergangenheit, o für Zukunft, u für den Konjunktiv. Im Imperativ endet das Verb ohne s auf -u . Diese beeindruckende Klarheit setzt sich in der Grammatik in allen Regeln fort, und jeder Sprachschüler weiß rasch zu schätzen, dass es von diesen Regeln keine Ausnahmen gibt – ganz im Unterschied zu allen anderen Sprachen.
    Mit seiner ersten Sprachschrift lieferte Zamenhof neben sechzehn sehr klaren Regeln und Übungstexten eine Vokabelliste mit, die zunächst aus 904 Grundwörtern bestand. Für das Vokabular nahm sich Zamenhof die Wörterbücher verschiedener (europäischer) Sprachen vor und suchte all die Wörter zusammen, die eine gemeinsame Herkunft aufweisen, was möglichst vielen das Erlernen der neuen Sprache erleichtern sollte. Manche Wörter ähneln sich in vielen Sprachen, etwa die für Rose oder Zigarette. Für den restlichen Wortschatz versuchte Zamenhof, möglichst gerecht und gleichmäßig auf den Bestand bestehender Sprachen zurückzugreifen: zunächst die romanischen, dann die germanischen, dann die slawischen. Bezogen auf den Esperanto-Grundwortschatz aus dem Jahr 1905 sind die Wörter für deutsche Muttersprachler zu fast zwei Dritteln, für die Sprecher romanischer Sprachen sogar zu 80 Prozent und für die slawischen Muttersprachler immerhin noch zu knapp einem Drittel erkennbar.
    Wie zugänglich Esperanto auch für den Sprachunkundigen daherkommt, soll ein Satz aus der Erklärung des ersten Esperanto-Weltkongresses von 1905 illustrieren: »Esperantisto estas nomata ĉiu persono, kiu scias kaj uzas la lingvon Esperanto, tute egale por kiaj celoj li ĝin uzas. Apartenado al ia aktiva Societo esperantista por ĉiu esperantisto estas rekomendinda, sed ne deviga.« (Esperantist wird jede Person genannt, die die Sprache Esperanto versteht und benutzt, ganz gleich für welche Ziele sie diese benutzt. Die Zugehörigkeit zu einer aktiven Esperanto-Gesellschaft ist für jeden Esperantisten empfehlenswert, aber nicht Pflicht.)
    Reine Kunstsprachen leben nicht, weshalb sie sich auch nicht verändern. Die Plansprache Esperanto dagegen wird seit vielen Jahrzehnten praktiziert und hat sich dabei fortentwickelt. Die erste Überarbeitung von Grundgrammatik und -wortschatz nahm Zamenhof nach entsprechenden Forderungen aus der noch jungen Sprechergemeinde 1894 selbst vor. 1905 wurde ein Fundamento de Esperanto als »unantastbare« Grundlage bestimmt, um die weitere Sprachentwicklung auf eine sichere Basis zu stellen. Auf der entwickelte sich Esperanto seither weiter, im Sinne des Spracherfinders, der sich als ihr Initiator und nicht als ihr Schöpfer verstanden hatte. Beispielsweise hat sich seither die Aussprache nach den anfänglichen Schwierigkeiten vereinheitlicht und ist das Vokabular von unter 1.000 Grundwörtern auf ungefähr das Fünfzehnfache gestiegen – nicht eingerechnet zusammengesetzte Wörter, die abermals ein Vielfaches dessen ausmachen. Die Praxis hat außerdem manche Wörter aus dem Wortschatz durch neue mit derselben Bedeutung verdrängt – so wurde aus signo de poŝto für Briefmarke poŝ tmarko – und längere Wörter verkürzt ( beletristiko wurde zu beletro ) oder zwecks einfacherer Aussprache verändert ( tekniko statt teĥniko ). Und natürlich passt sich das Vokabular ebenso an wie andere Sprachen auch, sei es mit interreto für Internet, poŝ telefono für Mobiltelefon oder tutmondiĝa für Globalisierung.
    Den Praxistest bestand Esperanto auch als Literatursprache. Die ersten Theateraufführungen gab es bereits auf dem ersten Weltkongress, drei Jahre später wurde in Dresden Goethes Iphigenie auf Tauris in Esperanto uraufgeführt, 1926 erschien die Bibel in Esperanto. Schon früh begann auch eine Tradition der Originalliteratur, sodass Esperanto heute sowohl als Übersetzungs- als auch Literatursprache von Bedeutung ist. Ein weiterer Kritikpunkt, die neue Sprache sei zu starr für Nuancierungen, unverzichtbar beispielsweise für Poesie und Humor, ist vielfach widerlegt worden.
    Zamenhofs Sprachkreation fand zunächst vor allem in den slawischen Ländern Zuspruch, bald aber auch im übrigen Europa. Die erste

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