Grandios gescheitert
der Globalisierung darstellt.
Einen ihrer Beschleunigungsschübe erfuhr die Globalisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als bessere Verkehrsmöglichkeiten und neue Kommunikationsformen wie Telefon und Telegraphie, aber auch Systematisierungen wie die Weltzeit den Erdball zu verkleinern schienen, weil die Entfernungen weiter schrumpften. Engere wirtschaftliche Beziehungen und die zunehmende Bedeutung internationaler Politik machten zwischenstaatliche Absprachen und Abkommen notwendig. Auch die Wissenschaft wurde zunehmend internationaler. All das ginge mit einer gemeinsamen Sprache einfacher vonstatten – aber mit welcher? Wünschenswert erschien aus Gründen der Gleichberechtigung, eine neutrale Plansprache zu wählen, die einen weiteren Vorteil haben könnte: eine einfache und klare Struktur, also ohne all die Schwächen, die jede lebende Sprache aufweist, von Wörtern mit Mehrfachbedeutung über eine verworrene Grammatik mit ärgerlichen Ausnahmeregelungen und eine unregelmäßige Syntax bis hin zur schwierigen Aussprache. Aber selbst eine kulturell, politisch und weltanschaulich neutrale Sprache bedürfte des Konsens aller Beteiligten, mithin der ganzen Welt, um überall Verbreitung zu finden und ihren Auftrag zu erfüllen.
Der Makel der Sprachenvielfalt, die, abgesehen von den Nachteilen, gleichzeitig eine faszinierende kulturelle Vielfalt mit sich bringt, wurde bekanntlich nie wirklich behoben – so wie es trotz einiger Anläufe nie gelungen ist, einen rational überzeugenden, praktikablen und von kulturellen, politischen und religiösen Prägungen freien Weltkalender durchzusetzen. Im Falle von unerlässlichen Alltagsinstrumenten sind die Beharrungskräfte einfach zu groß, und die verbindliche Einführung einer neuen Sprache für alle Erdenkinder wäre noch weitreichender als eine globale Kalenderreform.
In den Siebzigerjahren schrieb der Schriftsteller Arthur Koestler: »Wir haben Nachrichtensatelliten, die Botschaften an die gesamte Bevölkerung des Planeten schicken können, aber keine lingua franca , keine globale Verkehrssprache, die sie allgemein verständlich machen würde. Sonderbar, dass mit Ausnahme einiger kühner Esperanto-Anhänger noch niemand, weder die Unesco noch irgendeine andere internationale Organisation, darauf gekommen ist, dass der einfachste Weg zur Völkerverständigung dieser wäre, eine Sprache zu fördern, die von allen verstanden wird.« Damals gab es das Internet noch nicht, vor dessen Hintergrund der Sachverhalt sich noch schärfer konturiert. Angenommen, alle Menschen würden in der Schule nur eine Fremdsprache lernen, dafür aber von Cádiz bis Prowidenija, von Reykjavík bis Melbourne, von Kapstadt bis Anchorage, von La Rochelle bis Schanghai dieselbe: Das Globalmedium Internet könnte sein Potenzial bis zur Gänze ausschöpfen. Was mindestens idealistisch, wenn nicht utopisch klingt, wäre prinzipiell durchaus machbar – und die Vorteile enorm. Ohne eine weltumspannende Übereinkunft aber, die eine wahrhaft kraftvolle supranationale Institution voraussetzt, die Einzelinteressen und Eitelkeiten zugunsten des globalen Konsens überwindet, ist ein solches Projekt nicht zu realisieren.
Und doch wurden, mit einem unzeitigen Vorläufer von 1734 namens Carpophorophilus, schon im 19. Jahrhundert zahlreiche Plansprachen entwickelt. Meist nutzten sie als Fundus Latein als Ursprung vieler europäischer Sprachen, was der westlichen Welt das Erlernen leichter machen sollte, aber damit einer Überwindung des Eurozentrismus entgegenstand. 1879 wurde die Plansprache Volapük erfunden, von einem katholischen Pfarrer aus dem Badischen, dem schon der Nähe zu Frankreich wegen eine gemeinsame Sprache als Mittel der Völkerverständigung angeraten schien. Sie war die erste Plansprache, die tatsächlich Anwendung fand. Johann Martin Schleyers Volapük beruhte auf dem Englischen, das schon damals die am weitesten verbreitete Sprache war, ließ aber den Buchstaben R außen vor, um den Chinesen das Erlernen beziehungsweise die Aussprache zu erleichtern. Aufgrund von Streitereien innerhalb der Volapük-Bewegung war der Sprachenschöpfung allerdings kein langes Leben vergönnt. Nach einer ersten Euphorie in zahlreichen Ländern wurde dem Projekt zum Verhängnis, dass es ein Eigenleben begann und die Sprache sich veränderte. In seinem Buch Die Suche nach der vollkommenen Sprache befand der Semiotiker Umberto Eco: »Es ist dies die Tragik aller Projekte künstlicher Sprachen: Wenn ihre
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