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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Ideologen die Rede, die sowohl im Kampf gegen die Kirche als auch in der Legitimierung des Materialismus nutzbar sein konnten. Streng wissenschaftlich betonte Iwanow nunmehr, wie wertvoll seine Hybridisierungsexperimente sein könnten, um neue Erkenntnisse über die menschliche Evolution zu gewinnen sowie für Vererbung, Embryologie, Pathologie und vergleichende Physiologie. Iwanows Kollegen pflichteten ihm bei und stimmten dem Unternehmen zu. Zu einer Debatte über ethische Fragen kam es dabei nicht. In die Eugenik wurden große Hoffnungen gesetzt, und Forschungsprojekte, die damit in Verbindung standen, waren chancenreich.

Der französische Beitrag
    Iwanow hatte als erste Station auf seiner Reise nach Afrika Paris ausgewählt. International gut vernetzt und ein etablierter Wissenschaftler, unterhielt er zum Pariser Institut Pasteur besonders gute Beziehungen. Sie reichten zurück bis zur Jahrhundertwende, als er nach seinem Universitätsabschluss nach Frankreich gegangen war, um seine Studien am Institut des berühmten französischen Bakteriologen fortzusetzen. 1924 war Iwanow abermals nach Paris gereist, nunmehr das Projekt Affenmensch im Gepäck. Er hatte darüber mit seinen französischen Kollegen gesprochen, die kurz zuvor in Französisch-Guinea eine Forschungsstation für Affen eingerichtet hatten, um mit den Tieren in ihrer natürlichen Umwelt besser experimentieren zu können, als das in Europa möglich war. Iwanow erwirkte die Erlaubnis, für seinen Versuch auf den Tierbestand der französischen Forschungsstation zugreifen zu können. Die Außenstelle des Institut Pasteur im heutigen Guinea existiert noch immer, einige Kilometer außerhalb der drittgrößten Stadt des Landes, Kindia. In der gleichnamigen Region werden vor allem Bananen angebaut, und das Institut befasst sich mit der Herstellung von Impfstoffen.
    Seine Pariser Kollegen waren keineswegs entsetzt von den Plänen des russischen Wissenschaftlers, ganz im Gegenteil. Iwanow musste sein Vorhaben nicht verharmlosen, denn die Institutsdirektoren Émile Roux und Albert Calmette, ihrerseits Schüler des Gründungsdirektors Albert Pasteur, begrüßten die Absichten Iwanows ausdrücklich. Sie boten ihm alle erdenkliche Unterstützung an; möglicherweise hätte man seine Forschungsreise sogar ausgerichtet, hätte es die finanzielle Situation des Instituts zugelassen. Abgesehen von der grundsätzlichen Faszination, die die Idee der Kreuzung Mensch-Affe bei so vielen Wissenschaftlern hervorrief, hegten die Franzosen vermutlich auch ganz praktische Erwägungen: Da Iwanow auch die künstliche Befruchtung zwischen Affen versuchen wollte, bot sich ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma, dass es in der Forschungsstation bislang nicht gelungen war, Affen in Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu bewegen.
    Nach einigen Wochen in Paris reiste Iwanow über Südfrankreich nach Afrika. Ende März traf er in der Hauptstadt Guineas ein: Conakry an der afrikanischen Westküste, wo er von dem französischen Gouverneur überaus freundlich empfangen wurde. Seine erste Enttäuschung erlebte Iwanow nach der Ankunft in Kindia östlich der Hauptstadt im Landesinneren: Er musste feststellen, dass die meisten der Schimpansen in der Station des Institut Pasteur noch nicht geschlechtsreif waren und daher für das Experiment nicht in Frage kamen. Unverrichteter Dinge kehrte er daher zu Beginn der Regenzeit nach Paris zurück, wo er die Zeit für Experimente mit den dort gehaltenen Schimpansen nutzte. In der französischen Hauptstadt erreichte ihn die Nachricht aus den USA, dass ein Jurist aus Detroit 100.000 US-Dollar für Iwanows Experiment auftreiben wolle – auch um damit den starken Widerstand in den Vereinigten Staaten gegen die Darwin’sche Evolutionstheorie ins Wanken zu bringen. Iwanow bot an, zu unterstützenden Werbezwecken in die USA zu reisen, was seine dortigen Gönner aber umgehend ablehnten: Sie befürchteten Aufruhr unter strenggläubigen US-Amerikanern und befürworteten stattdessen, nach erfolgreicher Kreuzung und mit dem »ersten kleinen Hybridwesen« im Gepäck eine Tournee durch die Vereinigten Staaten zu unternehmen. Auch aus der großzügigen Spende wurde nichts, weswegen Iwanow weiterhin mit der kleinen Zuwendung der Sowjetregierung haushalten musste. Zu Ende der Regenzeit, im November 1926, machte er sich abermals auf nach Guinea.
    Bei dieser zweiten Reise nach Westafrika wurde der Professor von seinem Sohn Ilja Iljitsch Iwanow begleitet, einem 22-jährigen

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