Grandios gescheitert
Dierksmeiers Entwurf eines Speisesaals mit einer Uhr über den Schiebetüren geht es besonders großzügig zu: Links und rechts vom Durchgang stehen Tische mit je fünf sehr großen gepolsterten Armlehnstühlen.
Ein rollender Kinosaal
Mit den Wagen für die Fahrgäste sollte es aber nicht getan sein, denn die Personenzüge sollten daneben einen Gepäck-, Automobil- und Postwagen mitführen, auch in Ausführung mit Flakständen für den Verteidigungsfall. Die lag Hitler wie bei seinem eigenen Normalspur-Sonderzug »Amerika« besonders am Herzen. Er bestimmte, die Zugstrecken dürften nicht mit Oberleitungen versehen werden, um die Flugabwehr im Angriffsfall ungehindert arbeiten zu lassen. Die Gepäckwagen waren ebenfalls zweistöckig und hatten unter anderem den Vorzug, dass die Automobile der Reisenden bequem quer hineinfahren konnten – durchaus ein Vorteil gegenüber dem klassischen Autoreisezug. Sogar Hundeställe waren eingeplant. Einrichtungen zur Betreuung von Kindern finden sich in den Plänen übrigens an keiner Stelle, auch Reisewagen für kinderreiche Familien, wie sie das NS-Regime unermüdlich propagierte, waren nicht vorgesehen.
Insgesamt legten die weiten Entfernungen im angestrebten großdeutschen Herrschaftsraum zwischen Atlantik und Ural nahe, die Züge für längere Reisen auszurüsten. So sehen einige Entwürfe vor, dass für längere Fahrten tagsüber zwei Abteile erster Klasse miteinander verbunden werden können, sodass man auf bequemen Polstern quer zur Fahrtrichtung einander gegenübersitzen konnte. Aber auch an Sonderwaggons wurde gedacht: ein Badewagen mit getrennten Friseursalons für die Dame und den Herrn, 20 Duschräumen und vier Wannenbädern sowie Gesellschaftsräume jeweils für Raucher und Nichtraucher. Dort sorgen Küche und Konditorei für das leibliche Wohl der Reisenden, in den Gesellschaftsräumen sind aber auch abendliche Tanzveranstaltungen möglich. Zudem wurde ein Kinowagen entworfen – mit knapp 200 Sitzplätzen vor einer großen Leinwand mitsamt Bühne, auf der auch Vorträge und andere Darbietungen abgehalten werden konnten. Für ungestörten Kinogenuss war dadurch gesorgt, dass auf beiden Seiten des Kinosaales Korridore den Durchgang ermöglichten, mutmaßlich mit dicken Teppichen, um Schrittgeräusche abzudämpfen.
Eigens entworfen wurde schließlich noch ein Schlusswaggon mit abgerundeter Rückpartie zur Verringerung des Luftwiderstandes – bei angestrebten Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern und angesichts der enormen Größe der Züge durchaus notwendig. Geplant war, wegen der guten Aussicht hier einen großen Panorama-Salon mit Galerie einzurichten, der zweifellos großen Zulauf erhalten hätte. Wohl aus diesem Grund wurde auch ein Büfett vorgesehen.
Weniger vergnüglich wäre es in den geplanten »Ostarbeiterzügen« zugegangen, die insbesondere für die Landwirtschaft Großdeutschlands »große Arbeitermassen in kurzer Zeit von einem Ende Europas zum anderen zu befördern vermögen«, wie es in einem Projekttext heißt. Gegebenenfalls sollten sie auch für Soldatentransporte Verwendung finden. Pro Abteil sollten acht Personen untergebracht werden, nachts auf jeweils vier Pritschen übereinander. Die kleinen Essensausgaben sollten aus einer Großküche versorgt werden, die im Gepäckwagen untergebracht und für täglich mehrere Tausend Essensportionen ausgelegt wurde. Knapp 3.000 Plätze waren pro Zug vorgesehen.
Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zur Planung der eigentlichen Güterzüge, die zum Teil konventionell ausgelegt waren, zum Teil aber wegen ihrer Abmessungen für Spezialzwecke genutzt werden sollten: Neben den gängigen offenen und geschlossenen Güterwagen (Kipp-, Selbstentlade-, Kessel- und Kühlwagen) wurden auch verschiedene Spezialwagen für Großtransporte entworfen – ausgelegt sogar für den Transport von Schiffen bis 1.000 Tonnen.
Zum Be- und Entladen der Güter und um sie effektiv auf die viel kleineren Normalspur-Waggons umladen zu können, wurde ein »Behälterverkehr« konzipiert, der recht genau dem heutigen Containersystem entspricht, mitsamt der Ladekräne, die heutige Güterbahnhöfe kennzeichnen. Beispielsweise sollte Kohle in Breitspurbahnhöfen der ukrainischen Fördergebiete in offene Container verladen werden, von denen zwei nebeneinander auf einen Breitspur-Untersatz passen sollten. Auf einem großen »Behälter-Umschlagbahnhof« beispielsweise im Norden Münchens sollten Kräne die Container
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