Grandios gescheitert
zum Weitertransport auf Normalspur-Güterzüge umladen, deren Ladefläche so breit war wie einer der Container.
So gesehen, war die Planung also enorm weit vorangeschritten – aber der Eindruck täuscht, denn all diese Detailplanungen fanden fast ausschließlich auf dem Reißbrett statt. Weder wurde je eine Versuchsstrecke gebaut noch Prototypen für Lokomotiven oder Waggons. Lediglich Wagen- und Abteilmodelle konnte Hitler 1943 persönlich in Augenschein nehmen. Sie sind ebenso wenig erhalten wie das Holzmodell von einem vierachsigen Drehgestell für die Wagen der Breitspurbahn, 1943 im Reichsbahnausbesserungswerk Potsdam im Maßstab 1:10 gebaut – davon existiert immerhin noch ein Foto.
Die Planungen für das Großprojekt gingen selbst dann noch weiter, als das Deutsche Reich zusammengeschrumpft und von Hitlers einst riesigem Herrschaftsgebiet nicht mehr viel übrig war. Als die meisten Ingenieure, Bauzeichner und Projektleiter bei der Reichsbahnverwaltung längst ihre Reißbretter und Zeichentische verlassen hatten, saß Hitler in seinem Bunker noch immer über einem Modell seiner österreichischen Heimatstadt Linz, die ebenfalls an das Breitspurbahnnetz angeschlossen werden sollte. In München ging der vom Architekten Bonatz konstatierte Wahnsinn jedoch weiter – die offenbar letzte Besprechung am 23. März 1945 fand die Muße, Ringhallenverglasung, Eingangsgestaltung Südwest, Zugang für Fahrradfahrer zu beraten – und die »Anlegung von bombensicheren Luftschutzräumen für 25.000 Personen«. Fünf Wochen später hatte die 7. US-Armee die Stadt an der Isar erobert und Hitler sich im Berliner Führerbunker das Leben genommen. Das Deutsche Reich war Geschichte – und damit auch das Projekt der Breitspurbahn. Im Ganzen sollen in wenigen Kriegsjahren geschätzte 1,2 Milliarden Reichsmark dafür aufgewendet worden sein. Niemand hatte diese Eisenbahn ernsthaft für nötig befunden, niemand hatte sie gebraucht – nur Adolf Hitler.
Wie der Aufschwung per Knopfdruck
DIE KYBERNETIK
Im Jahr 1968 erschien in Ostberlin ein Buch mit dem schönen Titel Wirtschaftswunder DDR , ein entschieden tendenziöser Abriss zweier Jahrzehnte ostdeutscher Wirtschaftsgeschichte aus staatlicher Sicht. Es ist das Jahr, in dem der Staatschef Walter Ulbricht die Anstrengungen der DDR, mit mehr oder weniger sozialistischen Methoden den kapitalistischen Konkurrenten BRD wirtschaftlich zu überrunden, auf die nicht minder schöne Formel brachte: »Überholen, ohne einzuholen«. Allerdings war da die Zeit seines »Neuen Ökonomischen Systems« (NÖS), das Ulbrichts dialektischer Überholaktion zugrunde lag, schon fast wieder vorbei. Auf dem VII. Parteitag der SED im Jahr zuvor war das NÖS als ÖSS (Ökonomisches System des Sozialismus) zwar bestätigt worden, allerdings in modifizierter Form. Der Wind begann sich zu drehen, um bald darauf den Befürwortern des neuen Wirtschaftskurses in eisiger Form geradewegs ins Gesicht zu blasen. 1971 schließlich wurden die Prioritäten erneut verschoben; der nunmehr eingeschlagene wirtschaftliche Kurs gilt als einer der Sargnägel der DDR. Spätestens jetzt bewegte sich der ostdeutsche Teilstaat auf seinen Bankrott zu, der sich 1989/90 vollziehen sollte.
Historiker sprechen von den »langen Sechzigerjahren« der DDR-Geschichte, die von 1957 bis 1971 reichen. Am Anfang steht wie eine euphorisierende Droge der Start des ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik 1 der UdSSR im Jahr 1957, mit dem der Sozialismus dem Westen eine lange Nase machte und sich auf der Überholspur wähnte. An ihrem Ende steht die Machtübernahme durch Erich Honecker, dessen Kurs in den Niedergang führte. Vor allem das Jahrzehnt nach dem Bau der Berliner Mauer gilt als reformfreudig und wirtschaftlich durchaus vielversprechend. 1963 schlug die DDR einen radikal neuen Wirtschaftskurs ein: Mittels Reform-, Innovations- und Rationalisierungskurs sollte die behäbige Staatswirtschaft des Sozialismus auf Trab gebracht werden. Recht sperrig definierte der VI. Parteitag der SED im Januar 1963 den neuen wirtschaftlichen Weg als »die organische Verbindung der wissenschaftlich fundierten Führungstätigkeit in der Wirtschaft und der wissenschaftlich begründeten, auf die Perspektive orientierten zentralen staatlichen Planung mit der umfassenden Anwendung der materiellen Interessiertheit in Gestalt des in sich geschlossenen Systems ökonomischer Hebel«. Das hieß so viel wie Planwirtschaft 2.0, angereichert nämlich mit
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