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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Berlin waren im Zuge einer kompletten Umgestaltung der Streckenführung der Fernbahn zwei neue zentrale Bahnhofsbauten geplant, die nun auch Gleise der Breitspurbahn erhalten sollten: der Nordbahnhof (nördlich des heutigen Hauptbahnhofs) sowie der weitgehend identisch aussehende Südbahnhof neben dem Zentralflughafen Tempelhof. Die Ausmaße beider Bahnhöfe, denen ganze Stadtviertel hätten weichen müssen, sollten gigantisch werden und vor allem der größere Südbahnhof neben Tempelhof hätte den größten Bahnhof der Welt, die New Yorker Grand Central Station, im Vergleich wie einen piefigen Vorortbahnhof wirken lassen. Zwölf Bahnsteige mit 22 Fernbahngleisen waren vorgesehen, hinzu kamen zwei Gleise für die Breitspur. Das setzte die Planer unter erheblichen Druck, weil der Platz für die mächtigen Breitspuranlagen irgendwie geschaffen werden musste.
    Die Anlage war auf Effekt gebaut. Ankommende Reisende, bereits von der Fahrt im luxuriösesten und größten Zug der Welt über die Maßen beeindruckt, sollten beim Heraustreten aus dem Bahnhof schier erschlagen werden vom Blick auf den ein Kilometer langen, mit Beutewaffen bestückten Bahnhofsvorplatz, hinter dem der riesige Triumphbogen aufragte, dessen Bogen den Blick auf die »Große Halle« weiter nördlich freigab. Ob zustimmend oder ablehnend – der Anblick wäre zweifellos atemberaubend gewesen.
    In München arbeitete als einzige Planungsgruppe der dortigen Reichsbahndirektion die Arbeitsgruppe Breitspurbahn bis Kriegsende, wenn zuletzt auch nur noch mit vier Mann besetzt. Die aber dürften heilfroh gewesen sein, in einem längst verlorenen Krieg nicht noch als letztes Aufgebot verheizt zu werden. In der bayrischen Hauptstadt waren die Planungen am weitesten fortgeschritten, weil der Münchner Generalbaurat Hermann Giesler die Arbeiten vorantrieb und bis zum Untergang des Reiches ungerührt fortsetzen ließ. Außerdem sollten der Planung zufolge die Umbauten Münchens abgeschlossen sein, bevor es in Berlin damit richtig losging: zum dreißigjährigen Jubiläum der NSDAP im Jahr 1950. Ein neuer Bahnhofsbau westlich des alten Hauptbahnhofs wäre durch eine 80, später 120 Meter breite Prachtstraße mit der Innenstadt verbunden worden, die in Richtung Westen durch den Bahnhof bis nach Pasing reichen sollte – gut 6,6 Kilometer lang. An die Stelle des alten Bahnhofs sollte eine riesige, 215 Meter hohe »Säule der Bewegung« treten – zur Würdigung der Bedeutung Münchens für den Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus. Der als Rundbau im Rippenbogenstil geplante neue Bahnhof hätte eine 265 Meter weite, fast 117 Meter hohe Kuppel erhalten, unter der, unterhalb des Straßenniveaus, die Züge hindurchfahren sollten.
    Im Frühjahr 1942 hatte Hitler Giesler persönlich davon in Kenntnis gesetzt, dass nach Kriegsende eine Breitspurbahn gebaut werden solle und daher der bereits geplante neue Münchner Hauptbahnhof entsprechend neu konzipiert werden müsse. Hitler verlangte, die riesigen Personenzüge der Breitspurbahn mittig durch die Kuppelhalle durchzuführen, links und rechts ehrfurchtsvoll flankiert von den kümmer­lichen Zügen der Normalspur. Für die Planer in München bedeutete die Umplanung einen besonders herben Rückschlag, denn die ursprünglichen Pläne lagen bereits seit 1940 vor und die Streckenführung hatte man längst festgelegt. Sogar die Erdarbeiten zum Bau der riesigen Kuppel waren bereits im Gange, ebenso weitere vorbereitende Maßnahmen. Nun aber musste alles umgeplant werden – angesichts der viel größeren Dimensionen und technischen Anforderungen der Breitspurbahn alles andere als eine Petitesse. Um Platz für die Breitspurgleise zu schaffen, musste der Hallendurchmesser um mindestens 20 Meter erweitert werden – bei einer Spurweite, die nach provisorischem Planungsstand irgendwo zwischen 2,50 und 4 Meter liegen sollte. Für den Architekten des Bahnhofs, Paul Bonatz, scheint damit ein gut gefülltes Fass endgültig zum Überlaufen gebracht worden zu sein, zumal die Breitspurgleise noch tiefer als die Normalspurgleise liegen mussten, was zu Problemen mit dem Grundwasser führte. In der Folge kamen beständig neue Vorgaben und ein nicht enden wollender Streit um den endgültigen Kuppeldurchmesser hinzu. Bonatz hatte schon im Herbst 1941 in einem Privatbrief geäußert: »Wenn ich aber aufs Ganze schaue, was in Berlin wie in München entstehen soll, dann wird das Grauen immer größer.« Er sprach von einem »babylonischen

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