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Granger Ann - Varady - 01

Titel: Granger Ann - Varady - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Tod ist ohne Makel
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Ein oder zweimal leckte er ihm das Gesicht.
Niemand würde behaupten können, dieses Tier sei gefährlich. Hoffte ich jedenfalls.
    Nev hielt sich wacker. Er saß am Kamin, und nur das
nervöse Zucken seiner Hände verriet die Anspannung, unter der er stand. Von Zeit zu Zeit blickte er mich an, wie um
sich rückzuversichern. Ich lächelte ihm beruhigend zu. Es
kostete mich einige Anstrengung. Mir war überhaupt nicht
zum Lachen zumute. In meinem Kopf rasten die Gedanken,
und ich wusste, dass ich alles sortieren musste, bevor die
Polizei hier eintraf.
    Sie würden uns beispielsweise wegen Terry Fragen stellen,
und es gab nicht sonderlich viel, das wir ihnen hätten sagen
können. Wir konnten vorschlagen, dass sie Lucy fragen sollten. Das war auch schon ungefähr alles. Ich versuchte angestrengt, mich an alles zu erinnern, was sie gesagt hatte, an jedes Wort, seit sie bei uns eingezogen war. Aber ich hatte sie
nicht gemocht und nicht viel mit ihr gesprochen, wenn ich
nicht musste, und das war es. Nicht eine Gelegenheit genutzt.
    Sie wusste sich immer auszudrücken, wie eine junge Frau
aus der Oberschicht. Sie hatte mich an die Mädchen aus der
Privatschule erinnert, auf die ich gegangen war, bis mein
Vater höflich gebeten wurde, mich von der Schule zu nehmen. Sicher, Terry hatte auch das Vokabular benutzt, das sie
draußen auf der Straße aufgeschnappt hatte, in dem Bemühen, so wie alle anderen zu klingen. Aber es hatte nicht
funktioniert. Sie hatte immer noch anders geklungen. Und
dann war da diese Strickjacke mit dem teuren Etikett. Sie
hatte sie bei sich gehabt, als sie zu uns gekommen war. Sie
trug sie an jenem Abend, als Lucy sie mitgebracht hatte. Ich
wusste, dass sie diese Jacke nicht von Oxfam hatte, auch
wenn sie es behauptete. Sie hatte sie von zu Hause mitgebracht, wo auch das sein mochte.
    Was ihre Freundinnen anging, ich wusste nicht einmal,
ob sie welche hatte oder was sie tagsüber gemacht hatte. Die
Polizei würde fragen, ob sie mit Squib oder Nev zusammen
gewesen war. Mit keinem von beiden. Nev wurde im Allgemeinen mit mir in Verbindung gebracht, auch wenn unsere
Freundschaft rein platonisch war. Ich war, wenn überhaupt
etwas, dann Nevs Kindermädchen. Er kam nicht gut alleine
zurecht. Squib hatte seinen Hund. Er brauchte keine Menschen um sich.
    Declan war derjenige, den Terry gemocht hatte. Doch wir
wussten nicht, wohin Declan verschwunden war, außerdem
hatte er seine eigenen Scherereien. Ich wollte die Polizei
nicht auf Declan hetzen. Ich hatte ihn gemocht.
    Blieb die wichtigste aller Fragen: Die Frage nach dem Warum. Warum hätte sie sich umbringen sollen? Ich konnte
den Gedanken nicht akzeptieren, auch wenn ich sie mit
meinen eigenen Augen da hängen gesehen hatte. Sie war
mir weder gedrückter Stimmung noch übermäßig besorgt
erschienen wegen des Räumungsbescheids, nicht mehr als
jeder andere von uns. Trotz Squibs Theorie glaubte ich
nicht, dass sie verängstigt genug gewesen war, um zu einem
derart extremen Mittel zu greifen. Sie war wie üblich gewesen, unausstehlich und ewig mürrisch. In meinem Hinterkopf schrillten Alarmglocken los, und mir gefiel mitnichten,
was sie mir zu sagen versuchten.
    Ich erinnerte mich, wie sie angezogen gewesen war, als wir
sie gefunden hatten, in der offenen Hose und dem zerknitterten Hemd. Ich konnte nicht verstehen, warum der Reißverschluss nicht geschlossen gewesen war. Wenn sie so herumgelaufen war, bevor sie es getan hatte, dann wäre ihr die Jeans
auf den Knöcheln gelandet. Also hatte sie es, nur noch den
Suizid im Kopf, eilig gehabt und sich nicht um den Reißverschluss gekümmert? Oder … – eine Idee, so grotesk sie auch
klingen mochte, nahm in meinem Kopf Gestalt an: Hatte jemand anderes, während sie nicht bei Bewusstsein gewesen
war, sie angezogen, voller Panik am Reißverschluss herumgefummelt und schließlich aufgegeben? Der Duft nach teurem
Eau de Cologne im Haus, als Nev und ich aus Camden zurückgekehrt waren, fiel mir wieder ein, ebenso mein Gefühl,
dass irgendjemand Fremdes während unserer Abwesenheit
im Haus gewesen war.
    Ich schob jenen unangenehmen Gedanken fürs Erste beiseite und konzentrierte mich auf etwas anderes. Die Leichenstarre. Wenn die Polizei feststellte, dass sie am gestrigen
Nachmittag gestorben war, würde sie von uns wissen wollen, wo wir gewesen waren, wann wir sie das letzte Mal gesehen hatten und ob sie auf irgendeine Weise beunruhigt,
verzweifelt gewirkt hatte. Kein Polizist

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