Granger Ann - Varady - 03
eingesehen haben, dass ich
ihnen entkommen bin, haben sie gemacht, dass sie von hier
wegkommen.« Er wurde richtiggehend munter. In mir
keimte der Verdacht, dass unser Gast nicht zum ersten Mal
in so einer Situation gewesen war, aus der er sich um Haaresbreite befreit hatte. Das Ganze wurde von Minute zu Minute merkwürdiger.
»Warum haben sie es getan?«, hörte ich mich fragen.
»Ein Missverständnis«, entgegnete er, und ich merkte sofort, dass er nicht bereit war, mehr zu verraten. Ich hatte allerdings auch nicht mehr erwartet.
»Pass auf dich auf«, murmelte Ganesh einmal mehr.
»Keine Sorge, Ihnen passiert schon nichts«, sagte unser
Gast wenig galant. »Die Kerle rechnen nämlich nicht mit einer Frau.«
Ich hoffte inbrünstig, dass er Recht hatte, während ich mich
aus der Hintertür stahl, den Kragen meiner fleecegefütterten
Baumwolljacke hochschlug, um den Regen abzuhalten und
mein Gesicht zu verbergen, und mich die an der Rückseite
des Hauses verlaufende Gasse entlang in Bewegung setzte.
Ich gelangte in die Seitenstraße und von dort zurück zur
Hauptstraße.
Dort gab es eine Bushaltestelle, wo ich mich ein wenig
herumdrückte, als wartete ich auf den Bus, während ich den
Verkehr beobachtete. Es herrschte ziemlich viel Betrieb auf
der Straße – Taxis, Lieferwagen, Limousinen, ein oder zwei
Motorräder. Kein Mercedes. Eine doppelte gelbe Linie verbot auf der ganzen Länge das Parken, und das einzige Fahrzeug, das am Straßenrand stand, war ein roter Lieferwagen
der Post.
Ich wandte mich ab und lehnte mich lässig an den Metallpfosten. Die Leute auf dem Bürgersteig waren der ganz
gewöhnliche Mob, hauptsächlich Frauen um diese Tageszeit, manche mit kleinen Kindern. Ein oder zwei heruntergekommen aussehende Gestalten kamen vorbei, aber keiner
von ihnen sah aus wie ein Schläger, und keiner besaß einen
Pferdeschwanz. Es war eine offene Bushaltestelle ohne Dach,
und ich wurde allmählich nass. Ich hob die Hand, um mir
das Wasser aus den Haaren zu streichen. Einen Sekundenbruchteil später hörte ich hinter mir dumpfes Reifenquietschen. Ich hatte so angestrengt die Straße entlang gesehen,
dass ich die Ankunft des Doppeldeckerbusses völlig überhört hatte. Eine Frau stieg aus. Der Fahrer spielte erwartungsvoll mit dem Gaspedal, und ich begriff, dass er mich
zum Einsteigen aufforderte.
»Kommen Sie jetzt oder nicht?«, rief er mir entgegen. Ich
winkte ab. »Sie haben mich aber rangewinkt!«, schnauzte er.
»Nein, habe ich nicht!«, schnauzte ich zurück.
»Haben Sie verdammt noch mal wohl! Sie haben die
Hand ausgestreckt!«
»Nein, habe ich nicht. Ich hab mir den Kopf gerieben.«
»Ich muss meinen Fahrplan einhalten, wissen Sie?«, informierte er mich.
»Nun, dann fahren Sie doch weiter, und halten Sie ihn
ein!« Ich hatte genug von diesem Geschwätz.
Er bedachte mich mit einem gemeinen Blick und beschleunigte den schweren Bus. Er gehörte offensichtlich zu
jenen, die den Geist der Weihnacht einfach nicht begriffen
hatten.
Falls uns jemand beobachtet hatte, war meine Tarnung
aufgeflogen, also konnte ich genauso gut in den Laden zurückkehren und melden, dass die Luft, soweit ich es beurteilen konnte, wieder rein war.
Ich schlenderte zum Laden. Ganesh stand hinter der
Glastür, eingerahmt in Gold, und spähte zwischen einem
Sticker mit Mars-Reklame und einem zweiten mit Werbung
für Rizla-Zigarettenpapier hindurch. Auf mein Nicken hin
drehte er das »GESCHLOSSEN«-Schild um und sperrte die
Tür wieder auf.
»Ich konnte niemanden sehen«, sagte ich und wischte
mir die herablaufenden Regentropfen aus dem Gesicht. »Ich
hatte einen Streit mit einem Busfahrer, weiter nichts. Wo
steckt unser Freund?«
»Er macht sich im Waschraum sauber.«
»Hoffentlich verschmiert er nicht alles mit seinem Blut.
Wenn Hitch erst mit dem Renovieren fertig ist, bist du bestimmt wählerischer, wen du dort hineinlässt. Hast du unseren Besucher wegen dem losen Deckel auf dem Wasserkasten gewarnt? Wäre eine Schande, wenn er sich in dem
Waschraum noch schlimmere Verletzungen zuziehen würde, als er ohnehin schon hat. Er könnte dich verklagen. Er
könnte seinen Zehner zurückverlangen.«
»Ich habe ihn gewarnt«, erwiderte Ganesh gereizt.
Die Spülung wurde lautstark betätigt, und dann kam der
Fremde wieder heraus. Er hatte sich alles Blut abgewaschen,
seinen Mantel abgerieben, und abgesehen von den Schwellungen war auf den ersten flüchtigen Blick nicht mehr zu
erkennen, dass er erst kurze Zeit
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