Granger Ann - Varady - 04
vermoderte wie eine Statue auf einem Denkmalsockel. Doch jetzt war ich umso fester entschlossen auszuharren.
Irgendwann musste er kommen, früher oder später. Und
wenn ich zuerst eine doppelseitige Lungenentzündung bekam.
Doch bis dahin war es noch eine Weile hin, und ich hatte
reichlich Dinge, die mir durch den Kopf gingen. Wären
nicht Janice Morgans Ermittlungen bezüglich Mrs Marks,
mein Auftrag bezüglich Nicola Wilde wäre damit erledigt
gewesen. Ich konnte zu meiner Mutter gehen und sagen,
dass ich sie gesehen und mit ihr gesprochen hatte. Mehr
konnte Mutter nicht von mir verlangen. Doch die Morgan
und ihre Gründlichkeit hatten dafür gesorgt, dass es nicht so
einfach war. Und der Anblick meiner Schwester sowie die
wenigen Worte, die wir miteinander gewechselt hatten, waren ausreichend gewesen, um jeden Rest von Seelenfrieden
zu vertreiben, der noch in mir war. Ich fühlte mich eigenartig und zittrig. Ich sagte mir, dass es die Kälte wäre, doch ich
wusste, dass es nicht stimmte. Es waren Emotionen. Sie war
real. Sie war Fleisch und Blut, mein Fleisch und Blut. Hatte
meine Mutter auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie dieser Augenblick für mich sein musste? Andererseits hatte ich selbst auch nicht darüber nachgedacht. Ich
hatte mich gesorgt, was es bei Nicola auslösen könnte, aber
nicht, was es bei mir bewirken würde.
Ich blieb noch fast eine ganze Stunde auf meiner Bank
sitzen. Jedes Mal, wenn ein Wagen in die Straße bog, machte ich mich bereit, in der Hoffnung, dass es Jerry Wilde wäre, doch er war es nie. Meine Gelenke wurden allmählich
steif. Ich erhob mich und ging ein wenig auf und ab. Die
Kälte fraß sich in meine Knochen. Ich war hungrig und
durstig und musste dringend mal.
Ich überlegte, ob ich mich zu diesem Zweck hinter einen
Baum verziehen sollte, als erneut Scheinwerferlicht über die
Kreuzung huschte. Ein weiterer Wagen bog in die Straße ein.
Er fuhr langsam und lenkte vor dem Haus der Wildes an den
Straßenrand. Der Fahrer stieg aus. Ich war bereits in Bewegung, alle Beschwerden plötzlich vergessen. Die Straßenbeleuchtung mochte die Farben verfälschen, doch die Umrisse
des Geländewagens und ein kurzer Blick auf den Fahrer hatten mir gereicht. Ich humpelte in meinem lockeren Stiefel
über die Straße. »Hey!«, rief ich. »Ben! Ben Cornish! Warte!« KAPITEL 13 Meine Reaktion war das Gegenteil von guter Detektivarbeit. Ich hätte mich von der Identität des Besuchers überzeugen und warten sollen, bis Jerry
aufgetaucht wäre, wie ich es ursprünglich geplant hatte.
Dass ich es nicht getan hatte, lag teilweise daran, dass Bens
Auftauchen mich völlig überrascht und ich impulsiv seinen
Namen gerufen hatte, genau wie zuvor den Namen von Nicola. Doch ich schätze, dass mir unterbewusst auch klar geworden war, dass ich es nicht mehr viel länger in der Nässe
und der Kälte und der Dunkelheit hätte aushalten können,
ohne dass ich Moos angesetzt hätte. Ich musste mir einen
anderen Weg einfallen lassen, um mit Jerry Wilde in Kontakt zu treten, und die Vorsehung lieferte mir einen. Außerdem bin ich nur eine Amateurin.
»Fran?«, sagte Ben und starrte verblüfft zu mir herüber,
wie nicht anders zu erwarten. Er hatte mit einer Mischung
aus Faszination und Entsetzen beobachtet, wie sich die
dunkle Gestalt mit dem halb offenen Stiefel über die Straße
genähert hatte. Jetzt, da er mich erkannt hatte, standen die
Dinge kaum besser. Ich muss ihn an eine ertrunkene Ratte
erinnert haben.
»Ben«, bettelte ich mit klappernden Zähnen. »Wir müssen reden. Bitte läuten Sie nicht. Ich muss zuerst mit Ihnen
reden, bevor Sie die Wildes besuchen.«
Er zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde. »Los, steigen
Sie ein«, sagte er. »Ein Stück weit die Straße hinauf gibt es
ein Pub.«
Ich kletterte in den Geländewagen, und erst als Ben vom
Straßenrand wegsteuerte, kam meinem halb erfrorenen
Hirn die Frage in den Sinn, was um alles in der Welt er hier
überhaupt zu suchen hatte.
Es war früh am Abend, und das Pub hatte noch nicht viele
Gäste, wie es schien. Wir fanden einen Parkplatz direkt vor
dem Laden. Als wir ausgestiegen waren und nach drinnen
gingen, fragte er: »Warum humpeln Sie? Haben Sie sich verletzt?«
»Nein, ein Schnürsenkel ist gerissen, das ist alles«, antwortete ich.
»Oh.« Er hielt mir die Tür auf, ein richtiger Gentleman. Im
Innern war es gesegnet warm und trocken. Und ein Schild
über einer Tür hieß mich willkommen:
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