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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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hätte. Und deswegen habe ich am Ende
geschwiegen.«
Während der vergangenen Minuten hatte ich draußen im
vorderen Bereich des Hauses Stimmen gehört, fremde erwachsene Stimmen und lautes Kindergeplapper. Vermutlich
wurden die Kinder von ihren Eltern abgeholt. Draußen auf
der Straße schlugen Wagentüren. Ich hörte Mrs Marks’ Helferin Lucille aufräumen und Dinge ordnen. Mrs Marks
blickte von Zeit zu Zeit zum Fenster; es würde bald dunkel
werden draußen. Sie zeigte erste Anzeichen von Unruhe.
»Wenn Sie nichts dagegen hätten, meine Liebe«, sagte sie,
»dann würde ich Sie nun gerne zur Tür bringen. Lucille
räumt draußen auf, und ich habe noch andere Dinge zu erledigen.«
Ich hatte vergessen, dass Freitag war. Ich dankte ihr, dass
sie mir ihre Zeit geschenkt und mir alles erzählt hatte. Ich
warnte sie vor Jerry Wilde, falls er sich bei ihr meldete.
»Und vielleicht sollten Sie sich auch noch einmal mit Ihrer
Tochter unterhalten und sie ebenfalls warnen. Wenn die
Polizei bei Ihnen war, dann geht sie vielleicht auch zu Ihrer
Tochter, selbst wenn Sie der Polizei nichts erzählt haben.«
Ich ging schweren Herzens. Sie sollte wirklich zur Polizei
gehen mit ihrer Geschichte, um ihrer eigenen Sicherheit willen, wenn schon aus keinem anderen Grund. Die Indizien
gegen Jerry Wilde wurden immer zahlreicher. Falls er Duke
ermordet hatte, dann deswegen, weil der Detektiv Fragen
über Nicola gestellt hatte. Und falls Wilde jemals von Mrs
Marks erfuhr, dann war es durchaus möglich, dass er mich
und Mrs Marks als Bedrohung für sich und seine Frau betrachtete. Gleichzeitig wollte ich die Polizei auf keinen Fall
zu Linda Marks führen – ich kannte ihren Ehenamen nicht,
doch das würde die Polizei nicht aufhalten – und durch sie
zu den Wildes. Das war es nicht, was Mutter gewollt hatte,
und es war nicht das, was ich wollte.
Ich verfluchte mich im Stillen, weil ich mich einverstanden erklärt hatte, Mutters Bitte nachzukommen und nach
Nicola beziehungsweise Miranda zu suchen. Ich hatte die
Büchse der Pandora geöffnet, und jetzt schaffte ich es nicht
mehr, den Deckel wieder zuzumachen. Früher oder später,
so schätzte ich, würde die Polizei alle Puzzlesteinchen zusammenhaben und wissen, wer Nicola Wilde war. Es würde
beträchtlich schneller gehen, wenn Mrs Marks ihnen ihre
Geschichte erzählte. Aber selbst ohne das würden sie es
letztendlich herausfinden.
Ich hatte das Gefühl, als hätte ich meine Mutter im Stich
gelassen und als wäre alles allein meine Schuld. Ich hätte
von Anfang an anders an die Sache herangehen müssen. Mir
hätte sofort klar sein müssen, dass Rennie Duke nicht zu
kontrollieren war. Jetzt ging alles schief, und ich konnte es
nicht mehr verhindern. Nur eines konnte – und musste –
ich tun: Ich musste Jerry Wilde erneut sehen, so gefährlich
es auch werden konnte. Ich musste ihm sagen, dass die Polizei nach dem Baby suchte, das er und Flora als ihr eigenes
angenommen hatten, auch wenn ich selbstverständlich kein
Wort über Mrs Marks verlieren würde. Ich wollte die Wildes nicht um ihrer selbst willen warnen, sondern wegen Nicola. Die Jagd war jetzt offiziell im Gange, und die Welt
meiner Schwester drohte in Scherben zu fallen.
Das Problem war, wie ich es anstellen sollte. Ich wusste,
wo Jerry Wilde wohnte, doch ich konnte nicht einfach zu
seinem Haus marschieren, weil die Gefahr bestand, dass ich
seiner Frau Flora wieder begegnete. Ich konnte ihm nicht
schreiben, weil ich befürchten musste, dass Flora seine Briefe öffnete. Ich nahm an, dass die Wildes im Telefonbuch
standen, doch ein Anruf kam ebenfalls nicht infrage – was,
wenn Flora oder Nicola den Hörer abnahmen? Damit blieb
mir keine andere Wahl, als mich vor dem Haus der Wildes
auf die Lauer zu legen und darauf zu warten, dass er von der
Arbeit nach Hause kam, um dann aus meiner Deckung zu
springen und ihm den Weg zu versperren.
Später im Jahr wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen – jeder, der sich dort herumtrieb, endlos den Block umkreiste, in Eingängen lungerte, an Haltestellen wartete, ohne
je in einen Bus zu steigen, würde das Misstrauen eines
Nachbarn erwecken, der die Polizei alarmierte. Doch um
diese Jahreszeit wurde es früh dunkel, und die Dunkelheit
bot eine willkommene Deckung für mein Vorhaben. Ich erinnerte mich an eine kleine Rasenfläche mit einer Holzbank
ein Stück vom Haus der Wildes entfernt. Wenn ich mich
dort hinsetzte, würde – hoffentlich – niemand

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