Granger Ann - Varady - 04
näher an meins.
»Ich habe die Nase voll davon, immer außen vor gelassen zu
werden! Erzähl mir nicht, dass es nichts mit mir zu tun hat,
weil ich verdammt genau weiß, dass es um mich geht! Sie
reden schon eine ganze Weile hinter meinem Rücken über
mich! Ich hab gehört, wie sie tuscheln! Gestern Abend kam
Daddy mit der Schnapsidee, dass Mummy und ich ins Ausland in Urlaub fahren sollten, auf der Stelle! Mitten im
Schuljahr, Herrgott! Ich stehe kurz vor einer Violinenprüfung. Ich habe geübt wie verrückt! Ich hab jedenfalls Stunk
gemacht und gesagt, dass ich nicht mitfahren würde. Sie waren beide vollkommen verstört! Irgendwas geht vor, und ich
möchte wissen, was es ist!«
»Hast du deine Eltern gefragt?«
»Aber natürlich habe ich das!«, brüllte sie. Dann fuhr sie
fort, leiser und mürrisch: »Aber es hat nichts gebracht. Was
kann es denn so Geheimes geben? Es ist total dämlich!« Sie
funkelte mich an. »Weißt du, wenn ich dich nicht an diesem
Abend draußen im Regen gesehen hätte, dann hätte ich vielleicht geglaubt, du wärst Daddys Freundin oder so. Der Dad
meiner Freundin Naomi hat ständig andere Freundinnen.
Ihre Eltern streiten deswegen. Aber mein Dad hatte noch
nie eine Freundin. So was hat er noch nie gemacht. Na ja,
ich hatte dich jedenfalls gesehen, und es war offensichtlich,
dass du nicht Daddys Freundin sein konntest. Nicht die
Freundin von jemandem wie meinem Dad.«
»Ich bin nicht die Freundin deines Dads«, sagte ich verstimmt. »Er ist nicht mein Typ, weißt du?« Dieses freche
kleine Biest. Rein zufällig haben mir mehrere Typen gesagt,
dass ich attraktiv bin, und nicht jeder lässt sich von meinen
schmutzigen Stiefeln abschrecken, von denen einer mit einer gewöhnlichen Schnur zusammengehalten wird. Ich
dachte beispielsweise nicht, dass Ben sich abschrecken ließ,
und hätte ich mich für ihre Bemerkung rächen wollen, hätte
ich es gleich an Ort und Stelle hinter mich bringen können.
Aber dann fiel mir ein, dass sie erst dreizehn war, und ich
schwieg vornehm. Man sollte nur mit gleichwertigen Gegnern kämpfen.
»Also, wirst du es mir sagen?«, beharrte sie.
»Nein, das werde ich nicht, und du kannst von mir aus
im Laden anrufen, bis du blau bist im Gesicht. Ich werde
mich nicht wieder mit dir treffen. Ich verschwende hier nur
meine Zeit, weißt du? Diese Unterhaltung führt zu nichts.«
Ich beging den Fehler, mich wie eine überlegene Erwachsene zu verhalten. Ich hätte es besser wissen müssen. Es hatte bei mir auch nie funktioniert, als ich in ihrem Alter gewesen war.
»Glaub mir, Nicola, es ist nichts, weswegen du dir Gedanken machen müsstest. Geh einfach nach Hause und vergiss die ganze Geschichte.«
Rums! Sie ging förmlich in die Luft vor Empörung. Sie
stampfte sogar mit dem Fuß. »Wie kann ich es vergessen?
Jeder behandelt mich, als wäre ich ein Kind, als wäre ich
blöd! Ich bin kein Kind mehr! Ich bin fast dreizehn, und ich
bin nicht dumm! Irgendetwas stimmt nicht, und das schon
seit ein paar Wochen! Also erzähl mir nicht, dass ich mir
keine Gedanken machen soll und dass meine Fantasie mir
Streiche spielt oder irgendwelchen anderen blöden Müll,
den die Leute von sich geben!«
Irgendetwas war faul an dieser Sache. Ich wusste nicht,
wie lange meine Mutter bereits in diesem Hospiz lag, aber
ich hatte erst vor knapp über einer Woche angefangen, nach
Nicola zu suchen. Und doch stand sie hier vor mir und behauptete, dass seit Wochen irgendetwas vorging, lange vor
meiner Ankunft auf dem Schauplatz. Ihre Eltern hatten seit
einer ganzen Weile verstohlen über sie geredet. Die einzige
andere Person, die außer mir die Dinge aufgerührt haben
konnte, war Clarence Duke gewesen. Mein ganzes Misstrauen gegen Jerry Wilde war plötzlich wieder wach. Was, wenn
Duke vor mir Miranda Varady alias Nicola Wilde auf der
Spur gewesen war? Was, wenn Jerry es herausgefunden hatte
und sich von seiner Panik zu einer drastischen Aktion hatte
hinreißen lassen?
»Nicola«, sagte ich vorsichtig. »Hast du den Namen Clarence oder Rennie Duke schon einmal gehört?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wer ist das?«
»Nur jemand, den ich vor kurzem kennen gelernt habe.
Ich dachte, er wäre vielleicht bei deinen Eltern gewesen. Er
war … ist ein kleiner, schmächtiger Typ mit einem jadegrünen Auto.«
»Ich hab den Namen noch nie gehört«, murmelte sie und
trat nach irgendetwas am Boden. »Niemand erzählt mir irgendwas! Du könntest es, aber du willst nicht. Aber
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