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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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putzten ihre Fenster und
fuhren in sauberen Autos. Ich konnte sehen, warum der
große Baumarkt hier errichtet worden war. An so gut wie
jedem Haus, das noch nicht renoviert war, wurde gearbeitet.
Das hier war eine Pendlergegend, und sie verströmte eine
Aura von heruntergespieltem Wohlstand. Ich konnte sehen,
warum meine Mutter geglaubt hatte, dass Nicola (wie ich sie
von nun an nennen musste) bei den nach oben strebenden
Wildes besser aufgehoben war als in einem verkommenen
möblierten Zimmer bei ihrer leiblichen Mutter, die sie die
halbe Zeit über zu einer Nachbarin geben musste, die sich
wahrscheinlich auch nicht besonders um das Kind gekümmert hätte.
Weil die meisten der Häuser älter waren, besaßen nur
wenige von ihnen eine Garage. Einige der Anwohner hatten
das Problem dadurch gelöst, dass sie ihre Vorgärten zu einem Stellplatz umfunktioniert hatten. Auf einem solchen
asphaltierten Stellplatz vor dem Haus, an dessen Tür ich zu
läuten gedachte, stand ein kleiner spritziger Fiat. Ich nahm
es als Zeichen, dass jemand zu Hause war.
Eine oder zwei Minuten später, nachdem ich geläutet hatte, dachte ich bereits, ich hätte mich geirrt. Dann ertönte
von irgendwie tief im Haus der Schrei eines empörten kleinen Kindes. Schritte näherten sich der Tür, und eine junge
Frau in einem kurzen Kleid mit schwarzen Strümpfen und
hochhackigen Hausschuhen öffnete unwirsch. Ihre langen
blonden Haare hingen in einem teuren Schnitt mit einem
Mittelscheitel zu beiden Seiten herab. Sie hatte eine spitze
Nase, dünne Lippen und kalte Augen.
»Was gibt’s?«, fragte sie kurz angebunden.
»Bitte entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich. (Im Hintergrund ertönte ein weiterer wütender Schrei.) »Ich suche
nach Mrs Flora Wilde.«
Ich hatte überlegt, ob ich nach »Mr und Mrs Wilde« fragen sollte oder nur nach einem von beiden, und war zu dem
Schluss gekommen, dass es vielleicht weniger verdächtig
wirkte, wenn ich mich für letztere Option entschied.
»Falsches Haus«, erwiderte sie ungeduldig und wollte die
Tür wieder schließen. Das Geschrei aus dem Innern wurde
ununterbrochen drängender. Sie zögerte kurz und brüllte
nach hinten: »Er will sein Ribena, Marie-Cécile!«
Das Schreien war nun durchsetzt von einer Stimme mit
einem stark ausländischen Akzent, die versuchte, jemanden
zu besänftigen, der offensichtlich vorhatte, die Küchentür
einzutreten. Das Au-pair-Mädchen tat mir Leid, doch es
hatte mir die Chance eröffnet, eine weitere Frage zu stellen.
»Vielleicht sind sie ja umgezogen?«, sagte ich. »Das hier
ist definitiv die Adresse, die man mir gegeben hat. Flora
muss hier gewohnt haben.«
Die Frau starrte mich missmutig an und warf die glänzenden Haare mit einer unwirschen Kopfbewegung nach
hinten. »Wir wohnen erst seit zwei Jahren hier. Wir haben
das Haus von einer Familie namens Georgievich gekauft.
Ich weiß nicht, wer davor hier gewohnt hat, keine Ahnung.
Wie lange ist das her, sagen Sie?«
Als ich ihr sagte, dass es möglicherweise zwölf Jahre her
wäre, erwiderte sie triumphierend: »Sehen Sie, da haben
wir’s! Man kann schließlich nicht erwarten, dass Leute zwölf
Jahre lang immer im gleichen Haus wohnen, oder?« Dann
schien ihr zu dämmern, dass ich – angesichts meines Alters
– nach jemandem fragte, der hier gewohnt hatte, als ich ein
Kind gewesen war. Misstrauen blitzte in ihren Augen auf.
»Das ist wirklich ziemlich lange her.«
»Ja, ist es«, antwortete ich unbekümmert. Verdammt, ich
hatte nicht die leiseste Ahnung, wie lange die Wildes hier
gewohnt hatten oder wann das gewesen war. Meine Mutter
hatte gesagt, es wäre ihre letzte Adresse gewesen. Wie viele
hatten sie vorher gehabt? Ich hätte sie fragen sollen. Und wo
ich schon dabei war – wie oft waren sie noch umgezogen,
nachdem sie von hier weggegangen waren? Wenn man ein
Geheimnis hat, dann besteht eine Methode, es zu verbergen,
darin, ständig umzuziehen, genau wie meine Mutter es getan hatte. Meine fadenscheinige Strategie, die ich über Kaffee und Pasta ausgebrütet hatte, erwies sich schon jetzt als
wenig wasserdicht.
Und da mir keine überzeugende Erklärung für den Mangel an präziser Information einfallen wollte und ich schlau
genug war, mir nichts aus den Fingern zu saugen, ignorierte
ich die unterschwellige Frage einfach. »Ich bin nicht überrascht zu erfahren, dass sie umgezogen sind. Aber manchmal wohnen Leute viele Jahre in einem Haus, oder? Ich
dachte, es bestünde eine Chance, dass sie immer noch

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