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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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hinter mich brachte, desto
geringer die Wahrscheinlichkeit, dass Ganesh etwas herausfinden würde. Es ist mir noch nie gelungen, Ganesh längere
Zeit etwas vorzumachen.
Bevor ich aufbrach, las ich zum x-ten Mal den Brief, den
meine Mutter mir am gestrigen Tag in die Hand gedrückt
hatte. Er war kurz und prägnant und in einer Art Kode geschrieben, den nur ich verstand. Sie hatte sich wahrscheinlich
gesorgt, äußere Umstände könnten dazu führen, dass jemand
anders ihn öffnete und las. Ich fragte mich, ob die Person, derentwegen sie sich sorgte, möglicherweise Schwester Helen
war. Nun ja, es war auf jeden Fall klug von ihr gewesen. Diese ganze Geschichte war einigermaßen explosives Zeug, explosiv genug, um das Privatleben von drei Menschen zu zerstören.
Ich überflog den Brief. Sie bat mich mit einfachen Worten, die angegebene Adresse zu überprüfen, die in Wimbledon lag, und festzustellen, ob ihre »alten Freunde« Jerry und
Flora Wilde noch dort lebten oder wohin sie gezogen waren,
und darüber hinaus herauszufinden, wie es »ihrer Familie«
ging.
»Sag ihnen, dass Eva ihnen ihre Liebe schickt und dass sie
sich nicht sorgen sollen«, lautete der letzte Satz.
Es stand kein Wort darin, das auf irgendetwas anderes
verwies als Mutters tödliche Krankheit. Nichts, das irgendjemand hätte hineininterpretieren können. Trotzdem verbrannte ich den Brief, nachdem ich mir die Adresse eingeprägt hatte. In meinem Hinterkopf lauerte ein ungutes Gefühl, dass ich irgendwie ständig aufpassen musste, ob mir
nicht jemand auf den Fersen war. Ich konnte den Gedanken
an Clarence Duke nicht loswerden, oder Rennie, wie meine
Mutter ihn nannte. Er lauerte irgendwo dort draußen, und
je länger ich über ihn und sein Verhalten nachdachte, als ich
am Sonntagmorgen bei ihm angerufen hatte, desto verdächtiger kam mir seine offenbare Gleichgültigkeit vor. Meine
ganze Vorsicht war bereits zu jenem Zeitpunkt vergeblich,
doch das konnte ich noch nicht wissen. Sei auf der Hut vor
Clarence! , sagte ich mir.
Auch sonst war Heimlichkeit der Befehl des Tages. Ich
ließ Bonnie im Lagerraum von Onkel Haris Laden zurück
und spähte durch die Tür nach vorn ins Geschäft. Nachdem
ich mich überzeugt hatte, dass sowohl Hari als auch Ganesh
mit Kunden beschäftigt waren, schlüpfte ich durch die Tür,
nahm einen Stadtplan aus dem Regal und huschte damit zurück in den Lagerraum. Ich fand die Straße, die ich suchte,
versprach Bonnie, dass ich nicht lange wegbleiben würde,
und fütterte sie mit einem Riegel mit Schokoladenaroma.
(Ich weiß, dass Schokolade nicht gut ist für Hunde, aber
von diesem Ersatzzeugs habe ich das noch nicht gehört.)
Danach schlenderte ich nonchalant zurück in den Laden.
Ganesh war noch immer mit dem Kunden beschäftigt. Ich
legte den Stadtplan wieder an seinen Platz und ging zur
Vordertür. Auf dem Weg an der Kasse vorbei legte ich ein
paar Münzen auf den Tresen, murmelte »Choccy-Riegel«
und ging weiter, bevor irgendjemand irgendwelche Fragen
stellen konnte. Ich spürte, wie mir Ganeshs Blicke misstrauisch folgten. Er würde mich mit Fragen bombardieren, sobald ich wieder zurück war, so viel stand fest.
Wenn man eine weite Strecke mit der Londoner U-Bahn
zurücklegen muss, hat man reichlich Zeit zum Nachdenken,
ganz besonders, wenn ein Teil der Fahrt in den alten Waggons der Northern Line erfolgt. Meine Gedanken ließen in
mir ein Gefühl von Niedergeschlagenheit und Nervosität
aufsteigen. Ich starrte den Jugendlichen mir gegenüber
missmutig an. Er trag eine Jarmulke über den lockigen Haaren, die von einem Kopfhörer gehalten wurde, und er war in
einer Welt aus Musik von seinem Walkman versunken. Er
war glücklich, wie es aussah. Wir anderen starrten düster unsere Umgebung an, die abgerissenen Sitze, die Süßigkeitenpapierchen und die Gratiszeitungen, die den Boden übersä
ten. Wir klapperten und ratterten im Schneckentempo in
Richtung Embankment, wo ich umstieg in die District Line
für meine lange, langsame Weiterfahrt nach Wimbledon.
Als ich endlich dort ankam, hatte ich die Nase einigermaßen
voll. Meine Stimmung hatte sich nicht gerade aufgehellt, als
bei South Kensington eine junge Frau mit einem Baby in einem Buggy zugestiegen war und mir gegenüber Platz genommen hatte, um bis nach East Putney mitzufahren. Es
war ein hübsches kleines Kind mit lockigen Haaren und einer blauen Latzhose. Alle paar Minuten beugte sich die
Mutter vor und redete mit dem Knaben, und er lauschte
aufmerksam. Erwachsene und

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