Granger Ann - Varady - 04
anständige Mütze voll Schlaf. Ich stellte die Stühle
so hin, dass ich die Füße hochlegen und mich gegen die
Wand lehnen konnte, verschränkte die Arme vor der Brust
und schloss die Augen. Wenn ich schon tatenlos hier warten
musste, konnte ich die Zeit genauso gut für ein Nickerchen
nutzen.
Ich döste tatsächlich ein, und ich schrak unvermittelt
hoch, als die Morgan den Raum betrat. Fast wäre ich vom
Stuhl gefallen.
»Tut mir Leid, dass ich Sie störe«, sagte die Morgan trocken.
Ich nahm die Füße vom Stuhl, und sie zog ihn zu sich
heran und wischte ihn mit einem Taschentuch ab, bevor sie
ihn zum Tisch trug und sich darauf setzte.
Sie sah noch fast genauso aus wie bei unserer ersten Begegnung. Ihr Kleidergeschmack hatte sich nicht verbessert.
Mir ist noch nie eine junge Frau begegnet, die sich so altmodisch und konservativ angezogen hat. Sie trug einen trübseligen grauen Anzug über einem hellblauen Pullover, von dem
ich vermutete, dass sie ihn selbst gestrickt hatte. Ihre Frisur
würde man vermutlich einen Pagenkopf nennen. Sie hatte
nur wenig Make-up aufgelegt und sah mehr oder weniger aus
wie eine Gestalt aus einer Agatha-Christie-Verfilmung. Das
Einzige, was noch fehlte, war eine Perlenkette.
Ich beschloss, das Eis zu brechen. Sie und ich kannten
uns schon eine ganze Weile, und schließlich erinnerte ich
mich noch an ihre häuslichen Probleme von damals.
»Wie geht es, Wie-hieß-er-noch-gleich, Tom?«, fragte
ich. »Sind Sie wieder zusammen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind geschieden. Er ruft hin
und wieder mal an, aber ich lege das Telefon auf. Meistens,
heißt das.«
Also hatte sich in dieser Hinsicht nichts geändert.
»Eigentlich sollte ich Ihnen die Fragen stellen, Francesca.«
Sie zögerte, musterte mich kritisch von oben bis unten und
seufzte. »Also wohnen Sie jetzt bei Mr Patel und seinem
Onkel?«
»Sozusagen, ja«, erwiderte ich vorsichtig. »Ich schlafe vorübergehend in der Garage von Ganeshs Onkel Hari.«
»Müssen Sie Miete zahlen?«, fragte sie indigniert.
»Nein. Wie gesagt, es ist nur vorübergehend. Er hilft mir
aus der Klemme.«
Sie richtete den Blick an die Decke. »Ehrlich, Fran, ich hätte wirklich geglaubt, Sie hätten es inzwischen weiter gebracht.
Ich dachte, Sie hätten das Zeug dafür in sich. Sie sind kein
hoffnungsloser Fall wie viele andere. Aber wie es aussieht,
steht es genauso schlecht um Sie wie eh und je, wenn nicht
schlimmer. Ich dachte, dieser alte Bursche, Monkton hieß er,
glaube ich – ich dachte, er war so eifrig darauf bedacht, Ihnen zu helfen?«
»Das war er auch. Er hat mir eine Wohnung besorgt. Aber
es gab einen Wasserrohrbruch, und seitdem sitze ich wieder
auf der Straße.«
Sie musterte mich immer noch mit ihrem vorwurfsvollen
Blick, also ging ich zum Angriff über. »Hören Sie, geben Sie
nicht mir die Schuld, okay? Schuld an alledem hat das verdammte Wasserwerk! Das Wohnungsamt will nichts für
mich tun. Ich habe im Moment auch keinen Job. Solange
ich nicht in der Lotterie gewinne, habe ich keine großartigen
Alternativen!« Es half normalerweise nicht, wenn man bei
den Bullen pampig wurde, doch ich war richtig sauer. Jeder
schien zu denken, ich würde herumlaufen auf der Suche
nach irgendwelchen peinlichen Situationen, um mich mitten
hineinzusetzen, quasi als eine Art masochistischer Übung.
Vorsichtig fügte ich hinzu: »Außerdem sitze ich nicht
gerne auf irgendwelchen Polizeiwachen rum, das können
Sie mir glauben!«
Sie verzichtete auf eine Antwort und sagte nicht, dass ich
ein Talent hätte, zu ihnen zurückzufinden wie eine Brieftaube. Stattdessen giftete sie: »Ich bin auch nicht immer begierig darauf, auf der Wache herumzusitzen! Ganz besonders nicht an einem langen, trüben Wintermorgen, um mir
unglaubliche Geschichten von irgendwelchen Witzbolden
anzuhören, die sich für schlau genug halten, den dummen
alten Bullen jeden Bären aufzubinden! Ich mag keine Klugschwätzer, die Beweise zurückhalten! Und ich mag es nicht,
wenn ich bei einer Leiche immer wieder die gleichen Leute
treffe!«
»Hey!«, rief ich empört. »Ich hab ihn nicht umgebracht!«
»Habe ich gesagt, dass Sie es waren? Also schön, Sie wollen nicht hier sein, ich will nicht hier sein. Aber wir stecken
beide hier in diesem Zimmer fest, und wir müssen das Beste
daraus machen, richtig?«
Die Tür wurde geöffnet, und der mir unbekannte Sergeant mit den tückischen kleinen Augen trat ein. Er war ein
blasser, schmächtiger Bursche mit dünnem
Weitere Kostenlose Bücher