Granger Ann - Varady - 04
verschwinden – Inspector Janice Morgan würde durchdrehen. Ich meine nur, wenn ich mich hier
nicht blicken lasse.«
Mein Plan war es, mir auf diese Weise den Weg für meine
Abwesenheit am nächsten Tag zu bereiten, weil ich nach
Kew fahren wollte. Ganesh wusste nichts davon. Außerdem
hatte ich mein Versprechen gegenüber meiner Mutter nicht
vergessen. »Ich fahre heute Nachmittag nach Egham ins
Krankenhaus«, fügte ich hinzu.
»Ich krieg nicht frei, um dich zu fahren«, sagte Ganesh.
»Ich kann Hari nicht allein lassen. Der alte Bursche ist in einem schrecklichen Zustand. Inspector Morgan hat gesagt,
sie würde heute Nachmittag jemanden vorbeischicken, um
ihn zu befragen. Ich hab ihm gesagt, er müsse nichts weiter
erzählen, als dass dieser Duke in den Laden gekommen wäre
und nach dir gefragt hätte. Das ist das einzige Mal, wo Hari
ihn gesehen hat. Aber du kennst ja meinen Onkel. Er ist fest
überzeugt, wir alle stünden unter Verdacht.«
Ich konnte es mir vorstellen. Und so, wie ich die Polizei
kennen gelernt hatte, war es vielleicht gar nicht einmal so
abwegig.
»Dann werde ich mich definitiv verdrücken. Mach dir
keine Sorgen, ich nehme den Zug nach Egham.«
Kurze Zeit nach dieser Unterhaltung war ich unterwegs. Ich
fuhr über Waterloo, genau wie ich es Ganesh erzählt hatte.
Als ich dort ankam, stieg ich in einen Bus, der den Berg hinauffuhr. Ich stieg in der Nähe des Krankenhauses aus. Es
hatte aufgehört zu regnen, doch der Tag war trüb. Auch hier
hatte es stundenlang geregnet, und das Wasser tropfte von
Zweigen und Blättern der Rhododendren, als ich durch das
Tor ging, das zum Gebäude führte.
Ich dachte über meine Mutter nach und das, was ich ihr
erzählen würde. Deswegen achtete ich nicht auf meine Umgebung, und beinahe wäre es mir zum Verhängnis geworden.
Plötzlich heulte ein Motor auf, und Reifen knirschten auf
dem Kies. Ein Wagen kam die Auffahrt hinunter auf mich
zu, und ich musste mich mit einem Satz in die Büsche in Sicherheit bringen. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf den
Fahrer, einen Mann Ende dreißig, Anfang vierzig mit blassem, energischem Gesicht und stechenden Augen. Mit kreischenden Reifen bog er auf dem Asphalt der Hauptstraße
nach rechts ab und jagte davon. Ich hoffte, dass der Idiot in
eine Radarfalle geriet. Ich glaubte nicht, dass er mich überhaupt bemerkt hatte, weder auf dem Weg noch im Gebüsch
auf allen vieren. Ich wand mich aus dem Geäst ringsum und
klopfte mir die Wassertropfen aus der Jacke. Vielleicht hatte
der Irre einen schwierigen Krankenbesuch hinter sich und
war noch völlig durcheinander – trotzdem, wenn er in diesem Zustand fuhr, war er eine Gefahr für die Allgemeinheit.
Er hätte mich fast umgebracht.
Ich ging weiter Richtung Gebäude und betrat die Eingangshalle. Ich klopfte an der Tür des Empfangsraums, und
jemand rief von drinnen, ich möge eintreten.
Schwester Helen stand am Fenster und blickte hinaus zur
Auffahrt. Sie wirkte erregt und nicht ganz so beherrscht wie
bei unserer letzten Begegnung. Sie drehte sich um, erkannte
mich und sagte: »Ah, Fran.«
Es entging mir nicht, wie sich die Maske der Gefasstheit
über ihre Gesichtszüge legte. Angesichts ihrer Arbeit hier im
Sterbekrankenhaus war sie darin wahrscheinlich ziemlich
geübt. Ich bewunderte sie dafür, dass sie eine so schwierige
Arbeit meisterte, doch jetzt musterte sie mich auf eine so
erwartungsvolle Weise, dass ich mich fragte, was ihr wohl
durch den Kopf ging.
Durch meinen ging jedenfalls etwas ganz Bestimmtes.
»Ich wäre gerade auf der Zufahrt fast über den Haufen gefahren worden«, sagte ich indigniert.
»Das war wahrscheinlich Mr Jackson«, sagte sie. »Ich habe ihn gehen sehen.«
Sie zögerte, als wartete sie auf einen Kommentar meinerseits zu ihren Worten. Als ich schwieg, deutete sie auf einen
Stuhl, und wir nahmen beide Platz.
»Haben Sie den Wagen nicht erkannt?«, fragte sie. »Oder
den Fahrer gesehen? Bedeutet Ihnen der Name nichts?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe sein Gesicht gesehen,
aber ich kenne den Mann nicht.«
Sie machte »Tsss« und runzelte die Stirn. Nach einer Sekunde schien sie einen Entschluss gefasst zu haben und sagte: »Ihre Mutter hat den größten Teil des Tages geschlafen.
Ich gehe gleich nachsehen, ob sie jetzt wach ist. Vielleicht
könnten wir uns vorher kurz unterhalten.«
Das gefiel mir zwar nicht, doch ich konnte mich auch
nicht weigern. »Worüber denn?«, fragte ich.
»Nun ja, über Mr Jackson
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