Granger Ann - Varady - 04
besonders höflich.
»Ich hab’s dir doch schon erzählt«, erinnerte er mich.
»Ich hab dir einen Job als Kellnerin angeboten. Du hast angenommen. Ich verlass mich auf dich.«
»Habe ich angenommen? O ja, stimmt, habe ich. Bedeutet das, dass ich auch in Rot und Weiß rumlaufen muss?«
»Es steht dir sicher prima«, sagte Jimmie entschieden.
»Du siehst bestimmt super aus in einem von diesen langen
Röcken mit buntem gestickten Muster unten um den Saum
rum. Italienische Tracht, wenn du verstehst.«
Ich fragte ihn, ob er sicher wäre, dass die Italiener so herumliefen.
»Mehr oder weniger sicher«, sagte er zuversichtlich. »Diese Trachten sehen doch alle irgendwie gleich aus. Ich hab
einen Kontakt unten beim Markt, der jemanden kennt, der
mir die Sachen billig näht. Ich hab noch eine Menge anderer
Ideen. An den Wochenenden will ich beispielsweise LiveMusik machen.«
Jimmie wollte tatsächlich ein Fass aufmachen. »Eine
Band?«, fragte ich ungläubig.
Er schüttelte den Kopf. »Keine Band. Das wäre viel zu
teuer. Nur einen Typen mit einem Akkordeon, in einer roten Weste wie wir anderen auch.«
»Hast du schon jemanden dafür im Sinn?«
»Ein Freund von mir«, sagte Jimmie. »Er ist unschlagbar
mit den Fingern, ehrlich. Er hat eine Weile gesessen und
sucht jetzt dringend einen Job, einen ehrlichen, meine ich.«
»Weswegen hat er gesessen?«, fragte ich. Vielleicht keine
kluge Idee.
»Er und ein Kumpan haben beim Pferderennen gearbeitet«, sagte Jimmie. »Du weißt schon, Taschendiebstahl und
so.«
Das meinte er also mit »unschlagbar mit den Fingern«.
Sehr taktvoll versuchte ich Jimmie klar zu machen, dass es
möglicherweise nicht besonders vorteilhaft war, einen bekannten Taschendieb zu beschäftigen.
Jimmie beruhigte mich: »Keine Sorge, Süße. Er hat damit
aufgehört. Er hat den Nerv verloren, weißt du? Man braucht
Nerven für so eine Arbeit. Er kam noch immer gut an die
Geldbörsen, aber dann fing er an, sie fallen zu lassen, wenn
er sie an seinen Partner weitergeben wollte. Das geht nun
wirklich nicht, oder? Ich meine, ein Staffelläufer taugt nichts
für das Team, wenn er den Stab fallen lässt, meinst du
nicht?«
Da war etwas dran. Trotzdem wurde ich den Verdacht
nicht los, dass all das für Jimmie allmählich zu einer fixen
Idee wurde. Niemand kann für eine längere Zeit so engagiert sein. Zumindest Jimmie nicht. Er war ein Mann, der
sich durchs Leben schlug, indem er niemals mehr tat als unbedingt nötig. Ein absoluter Minimalist. Ich hoffte für ihn,
dass nicht alles in Tränen enden würde, wie Großmutter
Varady gewarnt hätte.
Ich steckte nervös den Kopf in den Laden. Ganesh war bei
der Kasse. Von Onkel Hari war nirgendwo eine Spur zu sehen. Ich trat ein.
»Sie haben mich gehen lassen«, berichtete ich das Offensichtliche. »Wo ist Hari?«
»Was glaubst du denn, wo er ist? Oben. Er trinkt Kräutertee und steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch.« Ganesh starrte finster zur Decke hinauf.
»Er wird mich jetzt wahrscheinlich aus der Garage haben
wollen, oder?«
Ich konnte immer noch in das Zimmer ziehen, das
Newspaper Norman mir angeboten hatte, selbst wenn es
mir so vorkam wie das Bates Motel in Psycho . Der Besitzer
dieses Motels hatte ebenfalls Norman geheißen. Wie viele
schlechte Omen hatte ich eigentlich nötig?
Vorsichtig erwähnte ich Normans Angebot, und Ganesh
erwiderte, dass ich unmöglich bei Newspaper Norman einziehen konnte, wenn ich nicht vergewaltigt werden wollte.
»Was denn, von Norman?«, fragte ich. »Ich glaube nicht,
dass er sich für mich interessiert.«
»Nein, nein, nicht von Norman. Ich meine all die anderen Psychopathen, die er in seinem Haus hat. Da bist du in
der Garage sicherer.« Ganesh stieß einen Seufzer aus. »Aber
du musst dir keine Gedanken machen wegen Hari. Es ist der
Rest der Familie. Sobald sie Wind von der Sache bekommen, sind sie alle hier.« Er stockte. »Ich habe Jay angerufen.
Ich dachte, er wäre am besten geeignet, um ihnen beizubringen, was hier passiert ist. Er war nicht gerade glücklich
darüber, aber er war einverstanden, es den anderen zu sagen.«
»Wie geht es Usha?«, fragte ich. Usha war Ganeshs
Schwester und mit Jay verheiratet.
»Gut. Sie erwartet ein Baby, wenn alles gut geht.«
»Also eine gute Nachricht.«
»Wir könnten auch ein paar davon gebrauchen«, sagte
Ganesh düster.
»Wie dem auch sei«, sagte ich, »ich schätze, es ist besser,
wenn ich mich für eine Weile aus dem Staub mache. Keine
Sorge, ich will nicht
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