Granger Ann - Varady - 04
fröhlich in einer Weise hin und her, die vermuten
ließ, dass hier ein neuer Formel-Eins-Pilot heranwuchs.
Zwei Mädchen benutzten Spielzeug-Nudelhölzer aus Plastik, um damit Knetmasse auszuwalzen. Ihre Gesichter verrieten grimmige Entschlossenheit, und während sie arbeiteten, stritten sie heftig miteinander und illustrierten damit
die chinesische Definition von Krieg als dem Aufeinandertreffen zweier Frauen in einer Küche. Erstaunlicherweise
schlief in einer Ecke ein Baby trotz des ihn umgebenden
Tohuwabohus friedlich in seiner Krippe. Bei diesem Anblick
musste ich an Miranda denken, die kurze Zeit auf die gleiche Weise hier verbracht hatte, vielleicht sogar in der gleichen alten, stark gebrauchten Krippe, bis sie abgeholt und
zu Nicola Wilde geworden war. Mutter hatte ihr Bestes für
sie getan und sie nicht einer bedrängten Nachbarin für ein
paar Pfund die Woche überlassen. Das hier war eine gute
Einrichtung, so viel konnte ich sehen, und sie war sicher
nicht billig gewesen.
Eine ältere Frau mit ergrauendem, in strenge Dauerwellen gelegtem Haar und einer Brille mit blauem Kunststoffrahmen kam mir entgegen. Sie musterte mich von oben bis
unten. Ich musterte sie genauso und kam zu dem Schluss,
dass sie ein gutes Stück älter sein musste, als der erste Anschein verriet. Sie gehörte außerdem zu der Sorte, die keinen Spaß verstand, sei es von Kindern oder von Erwachsenen.
Und sie hatte ein messerscharfes Gedächtnis. »Sie sind
nicht das Baby, das ich für Eva Varady in meiner Tagesstätte
hatte!«, schnappte sie. »Sie sind zu alt!«
»Nein, ich bin die ältere Schwester. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, Mrs Marks, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich zu empfangen.«
Sie blickte zu ihren kindgerechten Mini-Stühlen, dann
sah sie mich an, während sie meine Körpergröße mit den
zur Verfügung stehenden Sitzgelegenheiten in Relation setzte. »Wir gehen besser nach hinten. Lucille, behalten Sie die
Dinge im Auge.«
»Kein Problem«, sagte Lucille gut gelaunt.
Das Hinterzimmer war ein winziger, klaustrophobisch
übermöblierter Wohnraum. Ein Wellensittich in einem Käfig legte los, als wir eintraten. Mrs Marks deutete auf einen
Lehnsessel mit einer gehäkelten Schondecke und bat mich,
Platz zu nehmen. Sie ließ sich in ein dazu passendes Gegenstück sinken und musterte mich durch ihre glänzende Brille
hindurch.
»Also, ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen«,
begann sie aggressiv, bevor ich eine Gelegenheit fand, irgendetwas zu sagen. »Es ist inzwischen dreizehn Jahre her,
mindestens, dass Eva Varady dieses Baby zu mir gebracht
hat. Diese ganze Geschichte. Das habe ich auch schon der
Polizei gesagt!«
»Hatten Sie je Zweifel, dass das Baby nicht Eva Varadys
leibliches Kind sein könnte?«, fragte ich rundheraus, weil
ich dieses Thema gleich vom Tisch haben wollte.
»Selbstverständlich nicht! Sie hat ihm die Brust gegeben,
doch sie musste es auf Flaschennahrung umstellen, als sie es
herbrachte, und dadurch hatte sie Probleme mit ihrer eigenen Milch. Ich habe ihr damals Epsomer Bittersalz empfohlen. Üblicherweise versiegt der Milchstrom damit ziemlich
schnell.«
Wollte ich das überhaupt wissen?
Sie blickte mich stirnrunzelnd an. »Ist es das, worum es
geht? Die Polizei wollte mir den Grund für ihre Fragen nicht
verraten. Glaubt die Polizei vielleicht, Eva hätte das Baby einer anderen Mutter gestohlen?« Zum ersten Mal klang sie
ein wenig besorgt.
»Nein, nein, überhaupt nicht!«, versicherte ich ihr hastig,
und sie entspannte sich wieder. Ich schilderte ihr meine sorgfältig zurechtgelegte Version der Ereignisse, die ich mir auf
dem Weg hierher ausgedacht hatte. »Wie Sie sich vielleicht
erinnern, musste meine Mutter das Baby zur Adoption freigeben. Und jetzt würde sie gerne wissen, wo es hingekommen ist.«
Mrs Marks lehnte sich zurück und schürzte die Lippen.
»Das ist also der Grund, aus dem dieser Privatdetektiv mir
geschrieben hat. Ein gewisser Mr Duke. Ich habe ihn angerufen und gefragt, was er wollte. Er wich mir aus und wollte
am Telefon nicht sagen, worum es ging, also vereinbarten wir
einen Termin. Er wollte persönlich vorbeikommen. Aber er
ist nicht gekommen, und ich habe seither nichts mehr von
ihm gehört. Die Polizei hat gesagt, sie hätte meinen Namen
aus seinem Computer. Ich habe keine Ahnung von diesen
Dingern, wie ich gestehen muss. Mein Schwiegersohn ist
ständig dran, dass ich mir endlich einen holen soll, aber ich
frage Sie, was
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