Granger Ann - Varady - 04
soll ich damit? Ich denke, wenn ein Fremder
einen Computer in die Finger bekommt und dann die ganze
private Korrespondenz lesen kann, dann ist es besser, sich
von so etwas fern zu halten! Und was hat die Polizei überhaupt mit Mr Dukes Computer zu schaffen? Ich habe die
Beamtin gefragt, die hier war. Eine unverschämte kleine
Person, sage ich Ihnen. Sie hat mir nichts verraten. Das tut
die Polizei nie. Ist dieser Mr Duke vielleicht in Schwierigkeiten, oder was?«
»Nicht mehr«, sagte ich. Ich hatte befürchtet, Mrs Marks
könnte sich weigern zu reden – jetzt sorgte ich mich, dass sie
nicht lange genug innehalten würde, um mich meine Fragen
stellen zu lassen. »Keine Sorgen, er hat seine Schwierigkeiten
hinter sich. Was Eva Varady angeht, meine Mutter – sie hat
nicht mehr lange zu leben. Sie liegt in einem Hospiz in Egham. Sie leidet an Leukämie.«
Mrs Marks machte tsss, tsss. »Das tut mir wirklich Leid
zu erfahren. Sie war eine nette junge Frau, Eva Varady. Hat
ein gründliches Chaos aus ihrem Leben gemacht, das konnte ich ihr ansehen, aber das ist nichts Ungewöhnliches, nicht
wahr? Sie hätte zum Sozialamt gehen können und nicht arbeiten müssen, sondern mit dem Baby zu Hause bleiben,
doch sie hatte einen Job in einem Supermarkt an der Kasse,
und den wollte sie nicht aufgeben. Meiner Meinung nach
heißt das, dass sie nicht verkehrt war. Bleib aktiv, und du
bleibst jung, das ist es, was ich immer sage!«
All das war gut und schön, doch es half mir nicht weiter. Es
musste irgendetwas geben, das ich sie fragen konnte, eine Frage, deren Beantwortung mich auf die Spur von Rennie Dukes
Killer brachte. Bis jetzt hatte ich als Hauptverdächtigen lediglich Jerry Wilde ausgemacht, doch das war auch schon alles,
was ich hatte. Verdächtigungen. Ich musste eine Verbindung
zwischen dieser Lady hier und Jerry Wilde herstellen. Theoretisch wusste Mrs Marks lediglich, dass meine Mutter ihre zweite Tochter zur Adoption freigegeben hatte – und doch hatte
Rennie Duke vermutet, dass sie ihm etwas verraten konnte,
was ihn zu meiner jüngeren Schwester führen würde.
Mrs Marks wurde allmählich ungeduldig. Sie blickte immer wieder zur Tür und lauschte angestrengt auf den Lärm,
der aus dem Vorderzimmer drang. »Gibt es sonst noch etwas?« Sie legte die Hände auf die Armlehnen, als wollte sie
sich erheben.
Ich fragte aufs Geratewohl: »Mrs Marks, kennen Sie zufällig einen Mr Wilde? Jerry Wilde? Oder seine Frau Flora
Wilde? Hat sich einer oder haben sich beide mit Ihnen in
Verbindung gesetzt?«
Sie errötete stark, und ich wusste, dass ich mitten ins Ziel
getroffen hatte. Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich kenne
niemanden dieses Namens! Ich habe nichts von einem Mr
oder einer Mrs Wilde gehört!«
»Sind Sie völlig sicher? Mrs Marks, es ist wirklich wichtig!«
Sie antwortete nicht und erhob sich. Ich dachte bestürzt,
dass sie mich nach draußen bringen würde, doch stattdessen
ging sie nur kurz in das Spielzimmer, um nachzusehen, ob
alles in Ordnung war. Als sie wieder zurückkam, schloss sie
sorgfältig hinter sich die Tür und setzte sich in ihren Sessel.
»Sie sind wirklich Evas Tochter? Sie sind keine Polizistin
in Zivil oder so?«
»Haben Sie Erbarmen!«, flehte ich. »Nein, ich bin nicht
von der Polizei! Mrs Marks, das Baby, von dem wir hier reden, ist meine Schwester, meine Halbschwester. Wenn Sie
irgendetwas wissen, bitte sagen Sie es mir!«
»Ich sage nicht, dass ich etwas weiß, wohlgemerkt! Aber
ich verrate Ihnen eines – ich habe nie wirklich glauben können, dass Eva ihr Baby beim Jugendamt zur Adoption freigegeben hat. Aber sie sagte, sie hätte es getan, und ich hatte
keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln, außer, dass sie
dieses Kind geliebt hat. Das konnte man sehen. Dieses Baby
bedeutete alles für Eva.« Sie unterbrach sich und sah mich
an. »Was ist denn los, meine Liebe?«
Mir war nicht bewusst gewesen, dass sich meine Gefühle so
deutlich auf meinem Gesicht gezeigt hatten. »Nichts, wirklich
nicht«, sagte ich. »Bitte fahren Sie fort, Mrs Marks.«
»Ich sage Ihnen das alles nur, weil ich weiß, wie sehr sie
Miranda geliebt hat, und aus keinem anderen Grund. Ich
kann gut verstehen, dass Eva jetzt, wo sie im Sterben liegt,
dieses Kind noch einmal sehen möchte. Man kann der Familie das ganze Leben lang den Rücken zukehren, doch am Ende ist es der Ort, wo man sein möchte – umgeben von seinen
Angehörigen. Nun ja, meine Tochter Linda, sie wohnt in
Kew
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