Granger Ann - Varady - 04
sich hinter seinen
Schreibtisch. Ich wurde nicht eingeladen, auf dem Besuchersessel Platz zu nehmen, und so blieb ich verlegen vor
ihm stehen. Ich schätzte sein Alter auf um die fünfzig. Als
junger Mann musste er auf eine grelle Art ziemlich attraktiv
gewesen sein. Heute war sein Aussehen auffallend, kampferprobt und erfahren, und es erinnerte mich an die antiken
Büsten bedeutender Männer aus der Römerzeit. Seine sehr
hellen grauen Augen ruhten in Taschen aus weicher Haut.
Seine gesamte Haut war so glatt und makellos wie die eines
Babys, und ich vermutete, dass er sich regelmäßig von einer
Kosmetikerin behandeln ließ. Wahrscheinlich entgiftete er
sich auch regelmäßig in irgendwelchen Sanatorien. Doch
die Augen waren beunruhigend und erinnerten mich an die
kalten silbernen Augen eines Fisches. Seine Nase war klassisch, lang und gerade, die Lippen dünn, und der früher
breite Unterkiefer wurde allmählich schlaff und entwickelte
Taschen, die seine Kinnlinie ein wenig verdarben. Er wirkte
wie ein Mann, der gewohnt war, Befehle zu erteilen, der gut
lebte und vorsichtig war in der Wahl seiner Freunde und
seiner Geschäftspartner. Die Sorte Mann, die selbst von ihren Gegnern mit Respekt behandelt wurde. Die Sorte, in deren Gegenwart ich mich sehr vorsichtig verhalten musste.
Ich nahm mir vor, besonders höflich aufzutreten und, falls
nötig, sogar zu kriechen.
»Rennie hat den ein oder anderen Job für mich erledigt«,
begann er. »Lässt seine Frau den Laden weiterlaufen?«
»Für den Augenblick jedenfalls«, sagte ich vorsichtig. »Sie
hatte noch keine Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu
machen.«
Er grunzte. »Dann schieß mal los. Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Fass dich kurz.«
Ich erklärte, dass meine Mutter von zu Hause weggegangen war, als ich ein Kind war, und dass sie kürzlich Rennie
beauftragt hätte, mich zu suchen. Kurze Zeit später hätte
Rennie tot vor meiner Unterkunft gelegen. (Ich sagte nicht,
dass es eine Garage war.)
»Und jetzt«, schloss ich, »und jetzt habe ich die Polizei im
Nacken. Ich möchte eigentlich nur wissen, ob sein Tod irgendetwas mit mir oder meiner Mutter zu tun hat und falls
ja, ob ich jetzt ebenfalls auf der Liste von irgendeinem Killer
stehe. Das würde ich nämlich wirklich gerne wissen.«
»Das erklärt aber noch nicht, warum du hier bist«, sagte er.
»Hören Sie«, drängte ich. »Rennie war ein kleiner Schnüffler, der seine Nase in Dinge gesteckt hat, die ihn nichts angingen. Wir alle wissen das. Vielleicht hat er jemanden verärgert?
Ich dachte, Ihnen wäre vielleicht etwas zu Ohren gekommen,
das ist alles. Und ich könnte erfahren, ob ich mir umsonst
Sorgen mache.«
»Ob mir etwas zu Ohren gekommen wäre?« Er wirkte
ehrlich amüsiert. »Du bist eine eigenartige kleine Göre,
weißt du das?« Das Lächeln verschwand aus seinen Augen.
»Du bist besser ehrlich zu mir, Darling, oder ich kann verdammt ungemütlich werden.«
»Sie können mich gerne überprüfen«, antwortete ich.
»Du hast meinen Namen von der Witwe, nehme ich an?«
Ich wollte Susie Duke nicht noch mehr Scherereien machen. »Sie ist ziemlich mitgenommen. Sie hat ihn aufrichtig
geliebt.« Ich versuchte alles, um es herzerweichend klingen
zu lassen. Es prallte von Allerton ab.
»Das ist ihr Problem. Ich hab Rennie gut bezahlt für die
Jobs, die er für mich erledigt hat. Und das ist das Ende der
Geschichte, soweit es mich angeht. Sicher, ich weiß, dass er
verschlagen war, aber er war nicht so dumm, eine krumme
Tour bei mir zu versuchen. Keiner ist so dumm.« Die Fischaugen waren bar jeder Gefühlsregung. »Wenn Susie Duke
jetzt auf die Idee kommen sollte, Geld von mir zu verlangen,
dann sag ihr, dass sie es vergessen kann. Ich bin weder die
Wohlfahrt noch irgendeine Versicherung. Sag ihr, dass es mir
Leid tut. Es tut mir Leid, dass Rennie tot ist. Er war gut, und
das ist auch für mich ungünstig.« Er war zumindest ehrlich,
was seine Gefühle anging.
»Es hat nichts mit Geld zu tun, Mr Allerton, ganz und gar
nicht. Ich bin nicht wegen Susie Duke hier, sondern aus eigenem Antrieb. Ich mache mir Sorgen um meinen Hals,
wissen Sie?«, versicherte ich ihm.
»Du würdest deinen Hals viel besser schützen, Kleine,
wenn du nicht in Läden wie diesen marschieren und Typen
wie mich belästigen würdest. Hat deine Mutter dich nicht
davor gewarnt? Ach nein, sie ist ja abgehauen, als du noch in
die Hosen geschissen hast.«
Er trommelte mit den Fingern auf dem
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