Grant County 03 - Dreh dich nicht um
hat?«
Sara sah sich um, erst jetzt wurde ihr bewusst, dass der Angreifer vielleicht noch in der Nähe war.
»Sara?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts … ich weiß
nicht …« Jeffrey klopfte ihre Taschen ab, fand das Stethoskop und drückte es ihr in die schlaffe Hand. »Frank hat den Krankenwagen gerufen.« Seine Stimme war so weit weg, es kam Sara vor, als müsste sie ihm die Worte von den Lippen ablesen.
»Sara?«
Sie war wie gelähmt und konnte keinen Gedanken fassen. Ihr Blickfeld wurde eng, und alles, was sie sah, war Tessa, voller Blut, voller Schmerzen, die Augen schockgeweitet. Jeffrey wiederholte noch einmal: »Sara?«, und legte den Arm um sie. Dann kam ihr Hörvermögen zurück, rauschend wie Wasser, das durch einen Damm brach.
Jeffrey drückte ihr den Arm so fest, dass es wehtat. »Was soll ich tun?«
Endlich war sie zurück in der Gegenwart. Ihre Stimme zitterte noch, als sie verlangte: »Zieh das Hemd aus. Wir müssen die Blutung stillen.«
Jeffrey zog Jackett und Krawatte aus, dann riss er sich das Hemd auf. Allmählich arbeitete ihr Gehirn wieder. Sie wusste, was hier zu tun war. Und sie würde es tun können.
Er fragte: »Wie schlimm ist es?«
Sara antwortete nicht, denn sie spürte, das Unglück zu benennen, würde ihm noch mehr Macht verleihen. Stattdessen drückte sie sein Hemd auf Tessas Bauch, dann legte sie Jeffreys Hand darauf. »So«, sagte sie und zeigte ihm, wie viel Druck er ausüben musste.
»Tess?« Sara versuchte, ruhig und stark zu klingen. »Ich will, dass du mich ansiehst, okay, Süße? Sieh mich an und sag mir Bescheid, wenn du irgendeine Veränderung bemerkst, in Ordnung?«
Tessa nickte, ihre Augen wanderten zu Frank, der hinter Sara auftauchte.
Frank hockte sich neben Jeffrey hin. »In knapp zehn Minuten ist der Helikopter da.« Auch er begann sich das Hemd aufzuknöpfen. In diesem Moment kam Lena Adams auf die Lichtung, gefolgt von Matt Hogan, der sich die Seite hielt.
»Er muss in die Richtung geflüchtet sein«, Jeffrey deutete auf den Weg, der tiefer in den Wald führte. Ohne ein weiteres Wort rannten die beiden los.
»Tess«, flüsterte Sara, während sie die Wunde in der Brust untersuchte. Der Winkel des Einstichs war gefährlich nah am Herz. »Ich weiß, es tut weh, aber du musst jetzt durchhalten. Okay? Tu es für mich.«
Tessa nickte gequält, ihr Blick schweifte ab.
Sara hörte Tessas Brustkorb mit dem Stethoskop ab, ihr Puls raste wie Trommelfeuer, ihre Atmung ging stoßweise. Saras Hand zitterte, als sie das Stethoskop gegen Tessas Bauch drückte, um die Herztöne des Babys zu suchen. Der Stich in den Bauch konnte leicht den Fötus getroffen haben, und Sara war nicht überrascht, keinen zweiten Herzschlag zu finden. Fruchtwasser war aus der Wunde getreten, und damit war die Schutzhülle des Babys zerstört. Wenn das Messer das Baby nicht verletzt hatte, der Verlust von Blut und Fruchtwasser war auf jeden Fall lebensbedrohlich.
Sara spürte Tessas bohrenden Blick, die Frage, die Sara nicht beantworten wollte. Wenn Tessas Adrenalin anstieg, würde ihr Herz das Blut nur noch schneller aus den Wunden pumpen.
»Schwach«, sagte Sara. Sie hatte das Gefühl, unter dem Gewicht der Lüge drehte sich ihr Magen um. Sie zwang sich, Tessa in die Augen zu sehen, ihre Hand zu nehmen und zu sagen: »Der Puls ist schwach, aber ich kann ihn hören.«
Als Tessa die Hand hob, um sich den Bauch abzutasten, stutzte Jeffrey.
»Was hast du da?«, fragte er. » Tessa, was hast du in der Hand?«
Sie sah verwirrt aus, als sie das Stück Plastik im Wind flattern sah.
»Hast du das von ihm?«, fragte Jeffrey. »Von dem, der dich angegriffen hat?«
»Jeffrey«, flüsterte Sara. Das Hemd auf Tessas Bauch war durchtränkt von Blut. Er verstand und begann, das Unterhemd auszuziehen, doch stattdessen griff sie nach seinem Jackett, weil es schneller ging Tessa stöhnte, als sich kurzzeitig der Druck auf ihrem Bauch veränderte.
»Tess?« Sara griff wieder nach ihrer Hand. »Hältst du es noch aus?«
Tessa nickte schwach mit zusammengepressten Lippen. Ihre Nasenflügel bebten, während sie versuchte, regelmäßig zu atmen. Sie drückte Saras Hand so fest, dass Sara ihre Knochen spürte.
»Du kannst atmen, oder?« Tessa antwortete nicht, doch ihr Blick war wach und ging zwischen Sara und Jeffrey hin und her. »Atmest du richtig?«
Wenn Tessa Probleme beim Atmen bekam, wäre Sara völlig hilflos.
Jeffreys Stimme war gepresst. »Sara?« Seine Hand drückte immer
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