Grappa 02 - Grappas Treibjagd
seitdem er weiß, dass du Frau Gutweils Freundin warst, hat er keine Lust mehr, nach weiteren Histörchen zu fahnden. Aber – was willst du noch finden? Den Mörder vielleicht?«
»Ja, warum nicht. Ich kannte Laura besser als die Polizei. Vielleicht hab ich mehr Erfolg.«
»Ich hoffe, du bist so professionell, dass du deine Gefühle bei der Recherche hintenanstellst. Und – du solltest mit der Kripo Kontakt aufnehmen …«
»Warum? Die ziehen ihre üblichen Ermittlungsnummern mit Zeugenaussagen und Spurenauswertung ab. Ich glaube, dass das Verbrechen etwas mit Lauras Arbeit zu tun hat. Mit Kinderpornografie oder so.«
Ich wusste nicht, warum ich das gesagt hatte. Ich hatte plötzlich an dieses Lolita-Magazin gedacht und es instinktiv mit Laura, ihrer Arbeit und dem Mord in Verbindung gebracht. Es konnte kein Zufall gewesen sein, dass jemand in der Mordnacht ein solches Machwerk an mich adressiert und geschickt hatte.
Doch Jansen schien nicht interessiert. »Oh Gott, nicht diese Kinderficker-Szene! Und dann noch bei uns in Bierstadt. Maria, wir sind eine Lokalzeitung und nicht der ›Stern‹.«
»Meinst du nicht, dass eine heiße Exklusiv-Story unser Blatt munterer machen würde? Kein Wühlen im Dreck, sondern saubere Recherche! Kriminelle Machenschaften in Bierstadt, die Kinderschänder leben unter uns … Da musst du doch anbeißen, Peter! Oder hältst du es für investigativen Journalismus, über eine Pressemitteilung der Ortskrankenkasse eine peppige Überschrift zu knallen? Das kann doch nicht alles gewesen sein?«
Er seufzte tief. »Na ja, meinetwegen. Du kannst es ja mal versuchen. Bisher hast du uns ja nie geleimt, und irgendeine Geschichte kam bei deinen Recherchen bisher immer raus, auch wenn es nicht die erwartete war. Okay, du bist für drei Wochen freigestellt. Kümmer dich nur um diese Sache und um sonst nichts. Und sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst oder einen Fotografen. Oder einen starken Mann wie mich, der einer jungen Kollegin gern aus der Patsche hilft.«
»Ich danke dir. Ich werde dich auf jeden Fall auf dem Laufenden halten.« Ich legte auf und atmete tief durch.
Rote Rosen für eine Tote
Der Tag von Lauras Beerdigung war heißer als andere Sommertage. Die Staatsanwaltschaft hatte die Leiche nach der Obduktion freigegeben, das Ergebnis war aber noch nicht bekannt geworden. Lauras Mutter, die in Norddeutschland lebte, war angereist. Ihre Schwester, Lauras heißgeliebte Tante, hatte Laura das Haus in Bierstadt vererbt. Ich schaute die schmächtige kleine Frau an, die mit versteinerter Miene vor dem offenen Grab stand.
Laura hatte nicht gern von ihrer Mutter gesprochen, denn die hatte sie als kleines Mädchen der Tante überlassen, weil sie mit dem lebhaften, wilden Kind nicht zurechtgekommen war. Und in den Jahren danach gab es wenige Briefe und noch seltener Besuche. Laura hatte keine Mutterliebe gekannt, aber die Tante hatte das kleine blonde Mädchen vergöttert. Äußerlich war die Verwandtschaft zwischen Mutter und Tochter nicht festzustellen, nur die Art, wie Frau Gutweil die Hände bewegte, während sie mit dem Geistlichen sprach, erinnerte an Laura. Auch die Angewohnheit, den Kopf trotzig in den Nacken zu werfen, verband sie mit ihrer Tochter.
Die Sonne brannte, die Hitze dröhnte. Die Sargträger wollten ihren Job schnell hinter sich bringen; der Pfarrer murmelte hastig ein paar Worte, die ich nicht verstand. Mücken tanzten im Licht.
Einige der Trauergäste erkannte ich wieder, sie waren häufig Gäste in Lauras Haus gewesen. Auch an dem letzten Abend. Sogar die Nachbarin vom Haus gegenüber war gekommen. Ob Lauras letzte Liebe, dieser Arzt, den Weg hierher gefunden hatte? Ich hatte ihn nie gesehen, doch hier sah niemand wie der Chef einer Klinik aus.
Ich setzte meine Sonnenbrille auf. Die Hitze wurde fast unerträglich. Ich beobachtete weiter.
Der blonde junge Mann dort war bestimmt ein Kollege von Laura. Er hielt den Kopf gesenkt. Tränen kullerten in seinen Dreitagebart. Hatte er Laura geliebt? Zumindest hatte ihr Tod ihn erschüttert. Trotz der Hitze trug er einen dunklen Wollmantel. Zwischendurch trocknete er seine Tränen.
Die Sargträger ließen die Kiste ins Grab. Der junge Mann stöhnte auf. Lauras Mutter nahm eine kleine Schaufel und warf ein Häufchen Erde auf den Sarg. Ebenso die anderen. Ich reihte mich in die Schlange ein. Der Mann in dem dicken Mantel hatte einen Strauß roter, langstieliger Rosen in der Hand. Er blickte länger als die anderen in die
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