Grappa 03 - Grappa macht Theater
Was soll das?«
»Reg dich nicht auf! Ich wusste nicht, wie ich dich erreichen sollte. Sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Hat aber vorher noch Zeit gehabt, einen Abschiedsbrief an uns zu schicken. Wegen ihrer versauten Karriere sähe sie keine andere Möglichkeit mehr, et cetera.«
»Mir kommen die Tränen! Manche tun alles, um in die Zeitung zu kommen. Wie hat sie es angestellt?«
»Wie das solche Frauen immer machen. So viele Tabletten, dass es gerade noch mal zum Aufwachen reicht.«
»Wer hat sie gefunden?«
»Eine Freundin, mit der sie verabredet war. Und weil sie nicht gekommen ist, hat sie in der Wohnung nachgesehen. Den Rest kannst du dir denken. Die Nummer ist oberalt.«
»Und? Warum machen wir eine Story draus, wenn sie die Sache getürkt hat?« Ich war noch immer verschnupft.
»Das Umfeld ist es! Theaterskandal, Geiselnahme … Und der Kulturkritiker, der sie in seiner Zeitung niedergemacht hat, ist verschwunden. In der Kombination fehlte nur noch eine schöne Frau und ein bisschen Sex. Beides haben wir jetzt. Das ist die Mischung, mit der Millionen von Lesern jeden Tag zugesülzt werden und die immer wieder ein neuer Erfolg ist.«
Jansen hatte recht. Die Blut-Tränen-Sperma-Mischung lief genauso gut wie »Herz-Schmerz-Familie« oder »Hund-rettet-Baby«. Kritische Sozialreportagen und Berichte aus der Arbeits- und Frauenwelt interessierten die Masse unserer mündigen Bürger nicht mehr. Plädoyers für Aschenputtel oder Lobgesänge auf späte Robin-Hoods waren mega-out.
Auch ich hatte mich dem Trend angepasst und war ins Polizeiressort umgestiegen. Schnell hatte ich festgestellt, dass der Unterschied zur Sozialreportage gar nicht so groß war. Verbrechen professionell aufarbeiten und einfühlend schildern, das war mein Job.
Große und kleine Gewalttaten kamen in allen gesellschaftlichen Schichten vor. Da gab es den Totschlag zwischen Eheleuten am Frühstückstisch, weil der Mann das Ei köpfte, was seine Frau zur Weißglut und zum Messerwerfen trieb. Oder den Kleingärtner, der seinem Mitpächter mit der Rosenschere die Blumen zunächst auf zwei Millimeter runterstutzte, um ihn dann mit dem Gartenschlauch zu erwürgen. Gern dachte ich auch an einen meiner ersten Fälle zurück. Eine bekannte Bierstädter Managergattin hatte ihren Mann unterm Weihnachtsbaum mit dem neuen Hermes-Seidenschal erdrosselt.
»Grappa-Mäuschen!«
Das war Jansen, der jetzt auch mit »Mäuschen« anfing. Ich werde etwas dagegen tun müssen, dachte ich bitter, und zwar ein für alle Mal. Ich hatte nicht jahrelang aktiv in Frauenselbstverwirklichungs-Kursen über die »Diffamierung der Frau durch Männersprache« mitgeschimpft, um mir nun solche Frechheiten bieten zu lassen.
Aber erst mal hören, was er will, beschloss ich pragmatisch, vielleicht handelt es sich ja um einen netten kleinen Auftrag, der Honorar einbringt.
»Ja, Peter-Häschen?«, flötete ich und warf ihm eine Kusshand zu.
»Ich habe einen Auftrag für dich, der dir viel Freude machen wird.«
Ich wartete.
»Du kümmerst dich um diese Schauspielerin, so ganz von Frau zu Frau. Dann treibst du den verschwundenen Nello auf, das sind wir unserem Kollegen schuldig. Und die Story über den armen Irren mit der Knarre kannst du auch noch mit verwursten. Und das alles möglichst bald. Wie findest du meinen Vorschlag?«
»Kein Problem!«, gab ich gähnend zur Antwort. Er verstand die Ironie nicht.
»Schön, dass du es so siehst. Morgen bringen wir die Selbstmordstory und halten so die Geschichte auf kleiner Flamme schön warm für dich. Du machst dich dann so schnell wie möglich an diese Elsermann ran. Aber sei vorsichtig! Wer weiß, was noch alles passiert. Dass Prätorius verschwunden ist, macht mir wirklich Sorgen. Ich habe so ein Gefühl, dass wir noch einige Monate von der Story zehren können.«
»Es wird schon nicht so schlimm werden! Diese Kulturleute sind doch harmlose Menschen.«
»Das glaubst du! Kein Mensch ist harmlos, wenn es um seine Existenzgrundlage geht. Wenn Eitelkeiten, Profilneurosen, Leidenschaften und Macht eine Rolle spielen. Oder hättest du geglaubt, dass sich Kollege Prätorius auf Höfnagels Intrigen-Spiel eingelassen hätte? Oder dass ein harmloser Advokat mit einer Knarre in der Hand Theaterzuschauer bedroht?«
Vielleicht hatte er recht. Ich nahm die Sache auf die leichte Schulter, aber das hatte mir bisher noch nie geschadet, weil ich mich immer hatte schnell anpassen können.
»Was soll ich also deiner Meinung nach
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