Grappa 03 - Grappa macht Theater
tun? Wie soll ich vorgehen?«
»Mit Vernunft! Du weißt, dass du ein Händchen für Komplikationen hast, Maria! Immer wenn du irgendwas anfasst, beginnen die Storys erst richtig heiß zu werden. Ich weiß auch nicht, wie du das machst. Vielleicht liegt es daran, dass du den falschen Leuten zum richtigen Zeitpunkt die falschen Fragen stellst oder dass du die richtigen Fragen zum falschen Zeitpunkt vergisst oder dass du zu viel wissen willst und dabei die richtigen Antworten überhörst. Außerdem stört mich dein Hang zu illegalen Recherchemethoden.«
»Der Zweck heiligt die Mittel. Zum Schluss kam bisher immer das raus, was du und unsere Leser erwartet hatten, oder etwa nicht? Ich bin nun mal kein Sesselfurzer!«
Ich musste meine Ehre verteidigen. Was hatte Jansen bloß? Er wurde manchmal von merkwürdigen Gewissensbissen gepeinigt, die ich nicht verstehen konnte. Wahrscheinlich brauchte er Urlaub.
»Ich will doch nur, dass dir nichts passiert«, behauptete er, »du hast manchmal zu viel Schwung drauf! Aber es wird schon werden!«
Er machte eine Pause, stiefelte fünf Meter weiter bis zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Dann fuhr er fort: »Was haben wir denn bisher? Eine politische Intrige, einen verschwundenen Kollegen und einen verrückten Liebhaber. Politik, Liebe, Sex und vielleicht Mord! Ungewöhnlich ist, dass sich alles im Kulturbereich abspielt. Aber du wirst das schon schaffen. Also – ran an die Sache! Ich erwarte von dir, dass wir die ersten sind, die Prätorius finden. Egal, in welchem Zustand!«
Jetzt war er wieder der Alte. Ich atmete auf, doch eine wichtige Sache musste ich noch mit ihm regeln.
»Lass uns erst noch übers Geld reden!«
»Höre ich das Wort ›Geld‹? Wie kannst du nur so gierig sein!«
»Erst seitdem ich freie Mitarbeiterin bin! Für die Storys will ich eine Pauschale und kein mageres Zeilengeld. Die Fotos mach ich auch selbst, dann hat mein Fotokurs an der Volkshochschule wenigstens einen Sinn gehabt. Kannst du mir deine Kamera leihen?«
»Der freie Mitarbeiter hat seine Produktionsmittel selbst mitzubringen«, zitierte Jansen aus meinem Vertrag, »tut er das nicht, wird das Honorar gekürzt!«
»Wenn du nicht still bist und den Apparat rausrückst, lass ich dich auf der Geschichte sitzen oder fordere noch Gefahrenzulage. Dein Vortrag eben hat mir Angst eingejagt.«
Diese Sprache verstand er.
»Ist ja gut, Grappa-Mäuschen«, zog er sich zurück, »du kriegst, was du verlangst. Denke immer daran, dass wir dich alle lieben, besonders wenn du auf Recherche und somit nicht körperlich anwesend bist.«
Ich erhob mich und ging in Richtung Tür.
»Ich lasse von mir hören! Und noch was, Peter! Wenn du noch einmal ›Mäuschen‹ zu mir sagst, lege ich eine tote Ratte in deinen Kaffeetopf. Ist das klar?«
Ein Geheimbund mit sieben Vorstandsmitgliedern
Nello von Prätorius blieb verschwunden. Ich musste seinen Freunden auf die Bude rücken. In der Redaktion des »Kulturechos« erzählte mir einer seiner Kollegen, dass Nello Mitglied eines exklusiven Klubs war, der »Loge« genannt wurde. Feudel war der Chef, doch wer noch zum Vorstand gehörte, wusste niemand. Ich machte mich also zum Vereinsregister auf, das im Gebäude des Amtsgerichtes untergebracht war.
Die moderne Computerelektronik verkürzte die Recherche. Nach gut zehn Minuten gab mir die Angestellte die Karteikarte des »Vereins zur Förderung von Kunst und Kultur in Bierstadt«. Er war vor fünf Jahren gegründet worden. Ich schaute mir die Namen der Gründungsmitglieder an und staunte nicht schlecht.
Neben Ralf-Maria Feudel als Vorsitzendem standen noch Schriftsteller Lazarus Beutelmoser, Kammerschauspieler Paul Pistor, Nello von Prätorius und – das war die Überraschung – Beate Elsermann auf der Karte. Zwei weitere Namen waren mir nicht bekannt: Ernst Lotterbeck und Otto Grünger.
Wie kam die Schauspielerin, die erst seit wenigen Monaten in Bierstadt engagiert war, in diesen Verein? Sie musste seit immerhin fünf Jahren einige ihrer Herren Vereinskameraden kennen!
Ich verließ grübelnd das Amtsgericht. Ich hatte inzwischen so viel Erstaunliches herausbekommen, dass mein Kopf schwirrte. Die »Loge« war der Schlüssel zu einer verschlossenen Tür. Doch was verbarg sich dahinter? Eine Tarnorganisation? Aber für was? Wie hatte es Feudel geschafft, für seine »Loge« die steuerliche Gemeinnützigkeit zu bekommen?
Nur weil er einmal im Jahr einen Opernball für die Bierstädter High Society
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