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Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Titel: Grappa 05 - Grappa faengt Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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typischer Fall von Rumpelstilzchen-Syndrom, dachte ich, ach wie gut, dass niemand weiß …
    Diese Selbstdarstellungssucht würde ihm irgendwann zum Verhängnis werden. Ich blickte in die Gesichter der Männer. Niemand von ihnen sah aus wie ein Frauenschänder, aber wie sehen solche Männer aus, die Lust daran haben, Frauen Gewalt anzutun?
    Daphne hatte sich beruhigt. Stumm saß sie neben Kondis. Ich wollte mich gerade meinem Reiseführer zuwenden, als ich zufällig auf Ajax Unbill schaute. Sein magerer Hals mit dem hervortretenden Adamsapfel war kerzengerade in die Höhe gereckt. Er beobachtete Daphne, deren blonder Haarschopf über der Kopfstütze des Sitzes zu sehen war. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen, das schüttere Schnurrbärtchen zitterte.
    Jetzt hat sich der arme Kerl auch noch in Daphne verliebt, dachte ich. Ajax, der griechische Kämpfer vor Troja, Held und Frauenschänder.
    Ein unglaublicher Gedanke stieg in mein Gehirn. Ich fegte ihn fort, doch er kam immer wieder zurück, beanspruchte seinen Platz in meinem Kopf.
    Daphne, die Nymphe. Floh vor Apollon, der sie vergewaltigen will. Sie rettete sich durch Verwandlung in einen Lorbeerbaum. Ajax, Sohn des Oileus aus Lokris, er hasste die Götter und beleidigte sie, wann immer er konnte. Schändete Kassandra, die Seherin.
    Der Vergewaltiger hatte sich als »Apollon« bezeichnet, die Geschichte aus der Mythologie nachgespielt. »Ajax« war ein berühmter Frauenschänder, weil er sich an der Priamos-Tochter Kassandra vergriffen hatte.
    Ich drückte die Stopp-Taste in meinem Kopf. Die fantasievollen Geschichten der Griechen hatten mich völlig verrückt gemacht.
    Endlich startete der Bus. Ziel war zunächst Ioannina. Dort war ein Gang zur Bank geplant, bevor es in die Höhen des Pindos-Gebirge gehen sollte.

Bis dass der Tod euch scheidet
    Das Storchennest war mitten in der City von Ioannina neben der »Agriculture Bank of Greece« errichtet worden. Es lag flach und breit auf einem Strommasten aus Holz über einer aufgegebenen Taverne. Drei Straßen trafen sich an diesem Platz, um sich hinter ihm wieder in drei einzelne Wege aufzuteilen. Der mittlere führte in die Berge.
    Beide Eltern bewachten ihre Jungen. Zwischendurch klapperten die beiden zärtlich und betrachteten stolz ihren Nachwuchs, von dem ich nur einen Schatten erkennen konnte. In den Zweigen des Storchennestes hatten zahlreiche Spatzen gebaut und zogen ebenfalls ihre Jungen groß.
    Der Verkehr donnerte mit Abgasen und Hupen um den Platz. Unser Bus parkte direkt vor der Bank, Aris Christopoulos, der Busfahrer, diskutierte mit einem Polizisten den Sinn oder Unsinn eines Parkverbotes genau an dieser Stelle.
    Ioannina machte einen islamischen Eindruck. Aus den kleinen Geschäften drang türkische Musik, die Männer trugen Fez-Hüte, und es gab türkischen Honig auf der Straße zu kaufen.
    Ich hatte meine Geldgeschäfte erledigt und beobachtete das Storchennest. Almuth Traunich stellte sich neben mich und bot mir an, durch ihr Fernglas zu schauen. Jetzt konnte ich den kleinen Storchennachwuchs besser sehen.
    »Glotzt du wieder irgendwelche Vögel an?«, dröhnte ihr Göttergatte. »Ich brauche meinen Pass, aber meine Frau hat ja Besseres zu tun! Also, her damit!«
    Er hatte mal wieder beste Laune. Almuth Traunich wühlte in ihrer Handtasche. »Du blöde Kuh!«, blökte er. »Stehst hier rum und träumst. Was in aller Welt findest du nur an diesen dämlichen Flattermännern?«
    »Sie mögen wohl keine Tiere?«, fragte ich.
    »Doch, und wie! Wir haben viele Tiere zu Hause. Doch die liegen in der Tiefkühltruhe!« Traunich wollte sich ausschütten vor Lachen.
    Stumm reichte ihm seine Gattin den Pass. Er riss ihn an sich und verschwand.
    »Tut mir leid für Sie«, sagte ich.
    »Ich könnte ja gehen«, murmelte sie, »aber ich schaff's einfach nicht.«
    »Irgendwann schaffen Sie's!«, ermunterte ich sie.
    »Ich bin katholisch. Und da heißt es: bis dass der Tod euch scheidet.«
    »Wie haben Sie sich kennengelernt?«
    Sie lächelte. »Wie viele Ehepaare. In der Tanzstunde. Gleich am ersten Abend trat er mir auf die Füße. Da war er zwanzig und ich sechzehn. Danach stand er jeden Abend mit Blumen vor dem Haus meiner Eltern. Ein halbes Jahr lang. Dann haben sie nachgegeben. Als ich 21 war, haben wir geheiratet.«
    Ein Lkw fuhr so dicht an uns vorbei, dass wir uns in einem Hauseingang in Sicherheit bringen mussten.
    »Vielleicht wäre alles anders, wenn wir Kinder hätten«, sagte sie traurig. »Ich

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