Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
war zweimal schwanger, aber ich hatte Fehlgeburten. Dann ist er zu anderen Weibern gegangen.«
Die anderen hatten den Bus wieder bestiegen. »Kommen Sie«, sagte ich und henkelte sie unter, »genießen Sie die Reise – trotz allem. Wenn Sie sich aussprechen wollen, kommen Sie zu mir. Lassen Sie sich von ihm nicht unterkriegen!«
Sie schaute mich dankbar an. Sie sah älter aus als sie war. Der tägliche Ehekrieg, in dem der Sieger von Anfang an feststand, hatte ihr tiefe Falten im Gesicht beschert.
Der Storchenmann hob die Flügel, flatterte ein paarmal und ließ sich mit schweren Schwingenschlägen aus dem Nest fallen. Dann flog er mit gemächlichem Tempo durch die Straßenflucht in Richtung Berge, um Futter zu holen. Es gelang ihm, die niedrig hängenden Stromkabel, die über die Straße gespannt waren, zu unterfliegen. Mein Blick folgte ihm, bis er nur noch ein schwarzer Punkt am Himmel war.
»Ich liebe Vögel!«, rief Almuth Traunich aus, die von dem Anblick ebenfalls begeistert war. Ihre Gesichtszüge waren entspannt, und ihre Augen leuchteten. »Sie sind so frei, kennen keine Grenzen und können überall hin.«
Langsam gingen wir Arm in Arm über die Straße zu dem Bus, dessen Motor bereits lief. Wir klettern ins Innere. Almuth Traunichs Schuh verfing sich im Teppichboden, und sie stürzte hin. Ein leiser Schrei entrann ihrem Mund.
Kondis sprang erschrocken von seinem Sitz hoch, doch ich hatte sie schon aufgehoben. Mein Blick fiel auf ihren Mann, der die Szene beobachtet hatte. Er grinste höhnisch. Wut stieg in mir auf, ich rang nach Luft.
»Sag nichts!« Das war Kondis. »Ich habe ihm eben das Zigarrenrauchen verboten. Er hat getobt. Die Stimmung in der Gruppe ist schon schlecht genug. Gieß bitte kein Öl ins Feuer!«
»Jawohl, Herr Reiseleiter!«, zischte ich und ließ ihn stehen. Ich hasste es, wenn jemand meine Aggressionsschübe störte.
Almuth Traunich saß bereits wieder neben ihrem Mann und hatte ihre Ehefrau-Haltung eingenommen: Die Schultern fielen nach vorne, und über ihre Augen hatte sich ein grauer Schleier gelegt.
Ich wollte nichts mehr sehen und hören. Ich legte eine Musikkassette in den Rekorder, setzte die Kopfhörer auf und drückte auf »play«. Das Klavierkonzert, das ich hörte, versöhnte mich wieder ein bisschen mit der Menschheit.
Als ich irgendwann die Augen wieder öffnete, hatte sich die Landschaft verändert. Sie war grüner geworden, Nussbäume und Kastanien säumten die Straße, die sich immer höher wand. Nadelwälder standen in vollem Dunkelgrün zwischen den Felsen.
Mühsam kroch der Bus die enge Straße hinauf. Vor dem Dorf Monodendrion fuhr Aris auf einen Parkplatz. Für Fahrzeuge war hier Endstation.
Costas öffnete den Gepäckraum und stellte die Koffer und Taschen auf den Boden. Jeder nahm die Sachen, die ihm gehörten. Ich dachte an die gestohlene Apollon-Schale.
Waldemar Unbill griff nach einem Koffer, sein Sohn Ajax grabschte eine abgestoßene Reisetasche und zwei Plastikbeutel.
»Ich habe Unbills Gepäck durchsucht«, raunte Kondis mir zu. Offenbar konnte er neuerdings Gedanken lesen.
»Und?«
»Nichts. Aber bis zur Reisetasche bin ich nicht gekommen, weil Unbill das Zimmer betrat.«
»Du bist in sein Zimmer eingedrungen?«
»Nach unserem Spaziergang in Dodona. Der Schlüssel hing am Brett. Da habe ich ihn einfach genommen.«
»Und wie hast du es geschafft, dass er dich nicht gesehen hat?« Ich war erstaunt über seine Kaltblütigkeit.
»Ich habe es so gemacht wie im Film. Die Tür öffnet sich, der Einbrecher versteckt sich hinter ihr und schlüpft unbemerkt ins Freie.«
»Du hast viele Begabungen. Warum hast du mich gestern Abend so dumm im Dunkeln stehen lassen?«
Er nahm meinen und seinen Koffer, und wir folgten den anderen, die über grob gepflasterte Straßen ins Dorf hinaufstiegen. Martha Maus hangelte sich an den Häuserwänden entlang, während sich Pater Benedikt des Koffers der alten Frau angenommen hatte.
»Du weißt genau, warum«, brummte er.
»Meine Bemerkung übers Kirschenklauen hat dir nicht gefallen. Du bist aber auch sehr empfindlich. Wie eine Mimose. Wenn du mit dem Diebstahlsverdacht gegen dich nicht klar kommst, dann musst du alles wieder aufrollen, wenn du zurück bist.«
»Vielleicht kehre ich nie wieder zurück! Dieses Land dort mag mich nicht mehr!« Sein Blick war theatralischer Schmerz, sein Ton unumstößliches Gelübde.
»Sei nicht so pathetisch«, lächelte ich und gab ihm einen Klaps auf den Po, »ein
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