Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
mal 'ne Zigarette für mich?«
»Nein, ich rauche nicht. Kannst du mir noch mal einen Gefallen tun?«
»Kommt drauf an!« Er schaute abwartend.
»Ich habe hier ein Päckchen. Es ist für das Museum in Delphi bestimmt. Kannst du für mich die Adresse draufschreiben? Ich kann eure Buchstaben nicht schreiben.«
Costas nahm das Päckchen und betrachtete es. »Was ist da drin?«, fragte er.
»Der gestohlene Apollonteller natürlich«, lachte ich, »oder was glaubst du?«
»Guter Gag«, meinte er und griff nach dem Kugelschreiber, den ich ihm entgegenhielt. Dann schrieb er fein säuberlich einen Buchstaben nach dem anderen.
»Und jetzt bringst du das Paket zur Post«, schlug ich vor, »hier hast du Geld, der Rest ist für dich.«
Costas griff nach dem Schein, tippte sich an die hübsche Stirn und trollte sich.
Eine Viertelstunde später kam er zurück. Ich hatte am Bus gewartet. »Und?«, fragte ich.
»Alles paletti!«, bestätigte er und zündete sich eine Zigarette an. Dabei guckte er mich verschmitzt an. Jetzt sah er nicht mehr aus wie Apollon, sondern wie ein grinsender, kleiner Satyr.
»Was hältst du eigentlich von uns?«, fragte ich. »Kommt es dir nicht komisch vor, mit einer Meute von älteren Leuten durch dein Land zu reisen?«
»Ein Job ist wie der andere«, meinte Costas und blies eine mächtige Nikotinwolke in die Luft. »Meine Brüder haben einen Stand, an dem sie für Touristen Orangen auspressen und den Saft verkaufen. Sie kommen nur auf ihre Kosten, wenn sie viel Eis in den Saft tun. Mein ältester Bruder lebt auf Rhodos. Er ist Surflehrer und hat eine kleine Bar am Strand.«
»Und was willst du mal werden?«
»Reiseleiter«, seine Stimme wurde ganz heiser vor Sehnsucht, »so wie Kondis.«
»Und was gefällt dir an dem Job?«
»Als Reiseleiter braucht man nur im Sommer zu arbeiten. Und am Ende kriegt er sicher eine Menge Trinkgeld.«
»So wie er die Leute vergrault?«, murmelte ich.
In der Ferne sah ich die anderen auf uns zukommen. »Costas!« Ich griff nach seinem Arm. »Kein Wort über das Päckchen. Kann ich mich darauf verlassen?«
Er nickte. Dann ging er auf die Gruppenmitglieder zu und griff nach den Koffern, um sie im unteren Teil des Busses zu verstauen.
Begegnung in der Unterwelt
Die graubraune Schlange wärmte sich auf einem umgestürzten Säulenstück in den Sonnenstrahlen des noch jungen Tages. Als ich mich ihr näherte, schlängelte sie sich langsam davon und verschwand im Gras.
Das berühmte Totenorakel war nicht weit entfernt von Ammoudia und ganz nah bei dem Dorf Mesopotamos. Früher gab er hier die alte Stadt Ephyra, die Hauptstadt eines Sohnes des griechischen Helden Achilleus namens Pyrrhos, der die Tochter des Troja-Königs Priamos namens Polyxena auf dem Grab seines Vaters abschlachtete.
Die andere Geschichte dreht sich um einen anderen griechischen Helden vor Troja. Odysseus, der König von Ithaka, fand nicht zurück auf seine Insel. Die Zauberin Kirke rät ihm, in die Unterwelt hinabzusteigen und dort den bereits toten, blinden Seher Teiresias zu befragen.
Odysseus gelangte an den Punkt, wo sich die Flüsse Pyriphlegeton und Kokytos im Acheron vereinigen. An genau dieser Stelle sollte Odysseus an einem Felsen eine Grube graben und für die Toten Milch, Honig und Wein hineinschütten. Danach sollte er dem Teiresias einen schwarzen Widder opfern.
Auch Orpheus, der seine früh gestorbene Frau Eurydike zurückhaben wollte, stieg hier in die Unterwelt hinab.
Zur antiken Zeit war der Platz des Orakels von dem See Acherousia umgeben, heute liegt die Ausgrabungsstätte auf einem kleinen Hügel.
Kondis ging mit Daphne voran und wartete an einer Mauer, durch die eine Tür ins Innere des Orakels führte. Sehr viel sei leider nicht mehr zu sehen, bedauerte er, erhalten sei der »finstere Palast der Totengöttin Persephone und des Hades«. Er warnte vor dem schlechten Licht und erzählte von der Schau, die die Priester vor über 2000 Jahren hier abgezogen hatten.
»Das Orakel bestand aus einem großen Labyrinth, dessen Grundmauern Sie noch erkennen können. In der Antike waren die Gänge überbaut, kein Lichtstrahl drang in sie. Der Mensch, der den Einlass zur Unterwelt begehrte, musste bestimmte Speisen essen, sich reinigen und einem Priester zuhören, der sang oder betete. Von Raum zu Raum wurden die sakralen Vorschriften strenger, bis hin zum Verzehr von Wurzeln und Hülsenfrüchten, die Halluzinationen hervorriefen.«
»Vicia Faba Equina«, rief Dr. Waldemar
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