Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
hörte Stimmen. In meinem Zimmer wollte ich das vermutete Diebesgut nicht unterbringen. Mein Blick fiel auf eine alte Truhe aus Holz, auf der eine Vasennachbildung stand.
Blitzschnell öffnete ich die Truhe. Frische Wäsche lag drin, Bettlaken und Tischdecken. Vorsichtig legte ich das Päckchen zwischen die weichen Textilien. Mit fliegenden Fingern riss ich das Zeitungspapier an einer Stelle ab und sah einen hellen, restaurierten Tellerrand. Bingo! Ich klappte den Deckel leise zu. Jetzt musste ich nur noch den Schlüssel unten aufhängen.
Auf der Treppe kamen mir Martha Maus, Almuth Traunich und Pater Benedikt entgegen. Sie erzählten von einem schönen Spaziergang am Meer. Ich lächelte abwesend und versprach, ihnen beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Vor dem Hotel war bereits ein großer Tisch für uns gedeckt worden.
An der Rezeption tat ich so, als würde ich meinen eigenen Schlüssel an den Haken hängen. Ich trat ins Freie und sah Waldemar und Ajax Unbill am Acheron sitzen. Unbill schwadronierte, Sohnemann lauschte. Zwischendurch dröhnte sein Lachen in meine Ohren.
Ein Wagen fuhr vor, und Kondis stieg aus. Er sagte »Jassas« und »Efkaristo« zu dem Fahrer. Mit geschmeidigen Schritten kam er mir entgegen.
»Hallo!«, grüßte er. »Hattest du einen schönen Nachmittag?«
»Ich habe am Fluss gesessen und gelesen. Kann ich dich sprechen?«
»Ja. Worum geht es?« In seinen Augen war entspannte Arglosigkeit.
Ich wollte gerade auf seine Frage antworten, als zwei Polizeiwagen mit quietschenden Reifen vorfuhren und hart bremsten. Sechs Beamte stiegen zügig aus und kamen auf uns zu.
Gegenüber am Acheron stand Waldemar Unbill auf und steuerte in unsere Richtung. Er stürzte auf die Polizisten, begrüßte sie in der Landessprache. Kondis hörte zu und verstand noch immer nicht.
Unbill redete weiter auf die Uniformierten ein. Kondis lauschte noch immer, fasste sich an den Kopf, wurde bleich, lächelte ungläubig und rang nach Worten. Ich sah, wie ihm die Schweißperlen von der Stirn in den Kragen rannen.
Die Beamten betraten zusammen mit Unbill das Hotel. Kondis wollte hinterher, doch ein weiterer Polizist hinderte ihn daran. Völlig außer sich ließ er sich auf einen Plastikstuhl fallen. Sein Atem war ein Keuchen.
»Was ist passiert?«
»Unbill!«, stieß Kondis zwischen den Zähnen hervor. »Er hat die Polizei geholt. Ich sei der Dieb der Apollon-Schale. Sie durchsuchen jetzt mein Zimmer. Wenn sie etwas finden, ist das das Ende für mich.«
»Werden Sie etwas entdecken?«
»Natürlich. Weil er sie gestohlen und in mein Zimmer geschmuggelt hat. Ich habe den Mann unterschätzt, Maria. Jetzt kann er mich endgültig vernichten.«
Er verbarg sein Gesicht in den Händen.
»Sie werden nichts finden!«, behauptete ich.
Ungläubig sah er mich an. Sein Teint war grau. »Mach bitte keine Scherze. Wenn Unbill die Polizei holt, dann sorgt er auch dafür, dass die Beute bei mir im Zimmer ist.«
»Hör mir jetzt genau zu, und lass dir keine Gefühlsregungen anmerken«, forderte ich. »Unbill hat die Polizei angerufen und sie hierher bestellt. Ich kann zwar kein griechisch, aber als ich die Worte ›Delphi‹ und ›Apollon‹ hörte, schwante mir etwas. Unbill wiederholte außerdem dauernd diesen Satz hier. Sozusagen zum Mitschreiben.«
Ich zeigte ihm die Zeile ton xero ton listi, die ich in den Reiseführer gekritzelt hatte. »Ich habe mir die Übersetzung besorgt, den Schlüssel zu deinem Zimmer vom Brett geklaut, deine Sachen durchsucht, die Schale gefunden und mitgenommen. Dein Zimmer ist frei von jedem Diebesgut. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.«
Kondis brachte kein Wort heraus. Er nahm meine Hand und führte sie an seine Wange.
Kurze Zeit später war der Spuk vorbei, die Polizei rückte ab. Ich erzählte den anderen, wie übel Unbill Kondis mitgespielt hatte, und malte die Sache mit blumigen Worten aus. Sprach von Intrige, Verrat, Rachsucht, schwelgte in den schönen Gefühlsregungen, die ich aus den Helden- und Göttergeschichten kannte. Dass ich die Schale hatte, erzählte ich natürlich nicht.
Unbill und Sohn Ajax setzten sich beim Abendessen an einen anderen Tisch. Der Oberstudiendirektor war bis auf die Knochen bloßgestellt.
Sogar Gerlinde von Vischering schien ihren Spaß an der Blamage ihres heimlichen Freundes zu haben. Ihr schadenfroher Blick verweilte während des Abendessens mehrere Male auf seinem blasierten Gesicht.
Der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz
Der
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