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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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waren ihre Worte.

Je hässlicher, älter, boshafter, kränker und ärmer ich werde, umso mehr suche ich die Scharte dadurch auszuwetzen, dass ich meine Farbe leuchtend, wohl ausgewogen, strahlend mache.
    Gesägtes Feuer
    Den Rest des Nachmittages verplemperte ich, indem ich mich der Leichtigkeit des Seins hingab. Ich hatte mein Handy abgeschaltet und die beiden Männer zum Einkaufen nach Apt geschickt. Sterner und Thaler kehrten zurück und sie hatten schöne Dinge eingekauft.
    Gemeinsam bereiteten wir das Abendessen – es gab nichts Besonderes, aber alles war frisch und schmeckte hervorragend.
    Zwei Flaschen Wein wurden vernichtet, ein paar Calvados und einige Pastis. Dann war die richtige Bettschwere da. Ich sagte als Erste bonne nuit und verschwand in meinem Zimmer.
    Dort schaltete ich meinen Laptop ein und entdeckte, dass ich eine Nachricht aus New York erhalten hatte. Ich holte das Fax auf den Monitor.
    Wir haben großes Interesse an einer Veröffentlichung, las ich, da wir die Gerüchte gehört haben, dass ein unbekanntes Van-Gogh-Gemälde aufgetaucht sein soll. Die internationale Kunstwelt brennt darauf, es kennen zu lernen.
    Der Chefredakteur der Zeitschrift schlug vor, höchstpersönlich mit seinen Experten vorbeizukommen, um das Bild zu begutachten.
    Mit einer solchen Antwort hatten Cortez und ich gerechnet. Doch so ein Verfahren kam nicht in Frage. Niemand sollte wissen, wo sich das Bild befand – vorläufig zumindest.
    Ich formulierte einen Text für ein weiteres Fax nach New York, denn ich hatte einen Gegenvorschlag zu machen. Ich forderte einen ersten Artikel, mit dem klargestellt werden sollte, dass es das Bild wirklich gab. Erst dann könne ein Treffen mit Experten stattfinden – unter Polizeischutz. Und schließlich sollte das Gemälde für ein halbes Jahr in einem New Yorker Museum ausgestellt werden, bevor es wieder in die Hände seines rechtmäßigen Besitzers zurückkehrte.
    Ich sendete das Fax und ging ins Bett, konnte jedoch nicht sofort einschlafen. Das Buch über van Goghs Leben lag auf meinem Bett – ich kannte es inzwischen in- und auswendig, doch die Fotos der Gemälde faszinierten mich immer wieder aufs Neue.
    Armer van Gogh – zum Schluss ist er freiwillig ins Irrenhaus gegangen, weil er mit der Welt und den Menschen nicht mehr zurecht kam. Damals war er bereits krank – körperlich und geistig. Zu viel Alkohol, zu viel Nikotin, mangelhafte Ernährung. Die Selbstporträts zeigten einen blassen, hageren Mann mit rötlichem Haar und rotem Bart, der misstrauisch und ein wenig leer aus dem Rahmen schaute. Am 27. Juli 1890 schoss sich Vincent eine Kugel in die Brust, zwei Tage später starb er im Beisein seines Bruders Theo in Auvers. Der Pfarrer des Ortes stellte den Leichenwagen für einen Selbstmörder nicht zur Verfügung, die Nachbargemeinde musste aushelfen.
    Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz vor Mitternacht und noch immer warm – ich hatte das Fenster geöffnet. Van Gogh war in diesem Monat – es war Ende Juli – gestorben, vor fast 110 Jahren. Eine plötzliche Unruhe ergriff mich. Ich stand auf, warf mich in Jeans und T-Shirt und ging hinunter in den Garten. Die beiden Männer schliefen.
    Ich hatte eine Taschenlampe in der Hand und ging durch den Garten. Da war der Grabstein der Arlette Ginoux – sie war im selben Jahr gestorben wie Vincent: 1890. Van Gogh hatte eine Madame Ginoux gemalt, mehrfach sogar, in der Tracht der Arlesierinnen – mit schwarzem Kleid und weißem, besticktem Brusttuch.
    Ich nahm mein Handy aus dem Hosenbund und wählte die Nummer von Cortez. Er hatte sie mir bei unserem letzten Date gegeben. Der Ruf ging ab, aber Antonio meldete sich nicht. Ich würde es morgen früh noch einmal versuchen.
    Das Lavendelfeld duftete. Nicht so dominant wie tagsüber, die Blüten schenkten der Nachtluft nur einen leichten Hauch ihres eleganten Wohlgeruches.
    An der Gartenlampe taumelten Insekten, ab und zu schossen winzige Schatten durch den Himmel – kleine Fledermäuse auf der Jagd nach Beute.
    Es machte keinen Sinn, noch länger aufzubleiben, ich war so müde. Außerdem kam ein starker Wind auf. Ich blickte zum Himmel. Er war drohend bewölkt, die Brise trieb die Luftmassen in eine Richtung, es wurde kühler. Hinter dem Felsen von Saignon zuckten Blitze wie die Spitzen eines ausgesägten Feuers, heftig, leidenschaftlich und gar nicht gemütlich. Merkwürdig, dass es noch nicht regnete. Eigentlich verband ich Gewitter mit Feuchtigkeit. Doch hier war alles

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