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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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würdest du dich bei den Dingen entschuldigen wollen, die du dir einverleibst.«
    »Ich liebe gutes Essen nun mal«, gestand ich. »Und das, was ich liebe, behandele ich eben mit Achtung und versuche, ihm seine Würde zu lassen. Auch, wenn ich es dann doch vernichten muss.« Der Rest der Feige verschwand in meinem Mund.
    »Vernichtung als sinnliches Ritual«, erkannte er. »Du bist gefährlich!«
    »Ach wo«, wiegelte ich ab. »Nicht gefährlich – nur ein bisschen neurotisch. Ich denke gern um die Ecke. Und – mein Hang zur Dramatik ist überdimensional ausgeprägt.«
    »Allerdings.« Cortez goss die Gläser voll. »Aber das macht die ganze Sache ... très excitant. Ouvre la bouche, s'il te plaît. «
    Er drückte mir eine weitere Feige in den Mund, ich revanchierte mich mit einem Stück Melone, er brach ein Stück Brot, ich zupfte ein paar Artischockenblätter ... und so fütterten und tränkten wir uns gegenseitig, bis alles aufgegessen und weggetrunken war.
    Es war inzwischen dunkel geworden, ich hatte jedes Zeitgefühl verloren.
    »Es war schön«, sagte Cortez. »So schön. Ich werde es immer in Erinnerung behalten. Jusqu'à la fin de ma vie .«
    Ich schwieg und dachte wie er.
    »Wollen wir zu Bett gehen?«
    »Wir haben Sterner völlig vergessen!«, wandte ich ein.
    »Kein Problem«, beruhigte mich Cortez. »Ich habe der Patronin gesagt, sie soll ihn abfüllen und in einem der Gästezimmer ablegen. Du kannst ihn morgen früh mitnehmen.«

Das ist mein Streben – das beruht – malgré tout – weniger auf Groll als auf Liebe, mehr auf einem Gefühl heiterer Gelassenheit als auf Leidenschaft. Wenn ich auch oft elend dran bin, ist doch in mir eine ruhige, reine Harmonie und Musik. Im armseligsten Häuschen, im schmutzigsten Winkel sehe ich Bilder und Zeichnungen. Und wie mit unwiderstehlichem Drang geht mein Geist in diese Richtung.
    Lila Schwertlilien
    In jener Nacht vergnügten wir uns noch mehrmals aneinander, ich dachte nicht mehr an gefälschte Bilder, flüchtige kleine Diebe oder allein gelassene Komplizen. Es war mir egal, ob Cortez ein Bilderfälscher und ein Mörder war – irgendwo hatten wir alle unsere Leichen im Keller oder sonst wo.
    Es war schon Mittag, als wir am Frühstückstisch saßen. Die Sonne stand schon hoch, doch in diese Gemäuer drang ihre Hitze nicht. Nur das Licht hatte sich hineingeschlichen und warf Scherenschnitte auf die mittelalterlichen Kreuzgewölbe.
    »Was Thaler wohl gerade macht?«, sinnierte ich – eine Orange pellend.
    »Hast du etwa Mitlied mit ihm?«, fragte Cortez.
    Er hatte sich ein Leinentuch um die Hüften gebunden, auf seinen Schultern glänzte Wasser, die Haare waren noch feucht vom Duschen.
    »Heute ist ein Tag, an dem ich mit jedem Mitleid hätte«, kaute ich. »Thaler will alles haben. Und das möglichst sofort. Wie ein Kind, das von seiner Mutter an Supermarktregalen vorbeigeschoben wird und gierig die Hände nach allem ausstreckt, was bunt und glänzend ist.«
    »Dann wird er lernen müssen, sich in Bescheidenheit zu üben«, stellte Cortez fest. »Je ne supportais pas ces aires d'importance, qu'il se donnait. Non seulement il est bête, mais par dessus le marché, il est imbus de sa personne.«
    »Natürlich ist er eingebildet«, räumte ich ein, »Aber dumm ist er keineswegs. Immerhin hat er uns fast ausgetrickst.«
    Cortez warf mir einen prüfenden Blick zu. »Du machst dir ja wirklich Sorgen.«
    »Ich will nicht, dass man seine Leiche irgendwo findet«, murmelte ich. »Das ist die ganze Sache nun wirklich nicht wert. Es geht ja schließlich nur um eine alte Leinwand mit ein paar wilden Farbklecksen drauf.«
    »So also achtest du meine Arbeit!«, rief Cortez in gespielter Empörung.
    »Ich mag deinen Beruf – deshalb will ich auch einen Van-Gogh«, sagte ich.
    »Und welches Modell darf es sein, Madame?«, lachte er.
    »Vincent hat so schöne Schwertlilienbilder gemalt«, erinnerte ich mich.
    » D'accord. Ich werde dir eins malen. Auf eine Fälschung mehr oder weniger kommt es sowieso nicht mehr an. Immerhin hat van Gogh zehn- oder zwölfmal diese Irisart gemalt.«
    »Vielleicht nehme ich doch lieber den Bauern im Melonenfeld «, korrigierte ich. »Wegen der Erinnerung.«
    »Kein Problem«, sagte Cortez. »Willst du noch Kaffee?«
    Ich nickte. »Du siehst van Gogh ein bisschen ähnlich«, fiel mir wieder auf. »Die kräftige Gestalt und das wirre, helle Haar.«
    »Ich sehe also wie ein grober, holländischer Bauer aus?«, lachte er. »Comme quelqu'un,

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