Grappa 14 - Grappa im Netz
anrufen?«
»Meinst du den Typen, der auf der Pressekonferenz war?« Ich erinnerte mich an die Gestalt, die zunächst so unauffällig in der Ecke gestanden hatte.
»Ja, der.«
»Warum rufst du ihn nicht selbst an?«
»Weil ich ein Mann bin, Grappa«, erklärte Jansen. »Der hat dich nicht aus den Augen gelassen – so wurde mir berichtet.«
»Wer erzählt denn so was? Ist mir gar nicht aufgefallen«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»So was fällt dir ja nie auf«, behauptete Jansen. »Obwohl du einiges zu bieten hast.«
»War das jetzt ein Kompliment oder willst du mich daran erinnern, dass die nächste Diät angesagt ist?«, muffelte ich.
»Klar war das ein Kompliment«, log Jansen. »Also – ruf ihn an und versuch ihn um den Finger zu wickeln. Außerdem bist du beim Fernsehen, das macht mehr her, als einer kleinen Lokalzeitung ein paar Infos zu geben.«
»Okay, ich versuch's und melde mich dann, ja?«
Gehorsam rief ich also im Auswärtigen Amt an und fragte nach Herrn Rumi.
»Um was geht es?«, fragte die Vorzimmerdame.
»Das möchte ich Herrn Rumi lieber selbst mitteilen«, säuselte ich.
»Dann ist es privat?« Sie klang streng.
»Genau.«
»Moment!«
Die Warteschleife sang die Ode an die Freude und nach dem »feuertrunken« meldete er sich.
»Hallo, hier ist Maria Grappa von TV Fun , dem netten kleinen Sender mit Herz aus Bierstadt-City«, legte ich mit lieblicher Stimme los. »Erinnern Sie sich noch an mich, Herr Rumi? Ich war mit einem Kamerateam bei der Pressekonferenz gestern. Die Frau mit dem roten T-Shirt.«
»Ja, natürlich«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun? Ich habe wenig Zeit.«
Na ja, dachte ich, besonders höflich ist der aber nicht zu dir. Jansen hatte sich wohl verguckt.
»Es geht um das Bekennerschreiben, das im Jemen aufgetaucht ist. Können Sie mir etwas zum Inhalt sagen?«
»Zu gegebener Zeit schon.«
»Und was heißt das?« Ich bemühte mich, den Kleinmädchenton in meiner Stimme beizubehalten.
»Dass wir das Schreiben zunächst intern beraten und prüfen und dann eine Pressemitteilung herausgeben.«
Der Typ ist ein unfreundlicher Muffelkopf, dachte ich.
»Oh, das ist aber unschön«, seufzte ich. »Ich wollte unsere Zuschauer eigentlich schon heute auf den neuesten Stand bringen. Was mache ich denn jetzt? Können Sie mir nicht ein kleines bisschen helfen?«
Welches Geschleime! Jansen nannte diesen Ton bei mir ›Lolli-Tour‹. Doch der Trick zog immer weniger und meine Trefferquote ließ inzwischen zu wünschen übrig.
»Das ist Ihr Problem, wie Sie Ihre Sendezeit füllen«, sagte Rumi kühl, »und jetzt entschuldigen Sie mich! Ich habe gerade erst mein Büro bezogen und muss noch einige Dinge ordnen. Einen schönen Tag noch.« Er legte den Hörer auf.
»Mistkerl!«, brüllte ich wütend.
Barbara Rutzo stürzte in mein Zimmer. »Mit wem brüllst du denn hier rum?«, wunderte sie sich.
Ich erklärte ihr die Lage, informierte den Chef vom Dienst und kündigte an, dass ich nur einen Nachrichtenfilm für das abendliche Programm beisteuern konnte. Der Text war schnell geschrieben:
Neue Fakten im Fall Jakob Nagel: Im Jemen ist ein Bekennerschreiben einer radikal-islamischen Gruppe aufgetaucht, das zurzeit im Auswärtigen Amt überprüft wird. Über die Forderungen der Entführer, die den Oberbürgermeister von Bierstadt während eines Ausfluges in die Tihama-Wüste – hier Archivbilder – verschleppt haben, herrscht noch Unklarheit. Der Krisenstab will die Öffentlichkeit erst später informieren. Der zuständige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes erklärte gegenüber TV Fun, dass er erst mal sein Büro einrichten müsse, bevor er sich intensiv um den Fall kümmern könne.
Barbara bot an, den Mini-Film mit Archivmaterial zu bebildern.
»So. Dann fahre ich jetzt zu meinem Astrologen«, kündigte ich an. »Ein Blick in die Sterne kann ja nicht schaden.«
»Du fährst wegen Nagel dorthin?«, fragte Barbara ungläubig.
»Nein. Ich soll ihn für die Single-Show casten.«
»Frag ihn doch nach dem Versteck von Nagel«, schlug die Kamerafrau vor. »Und dann fahren wir beide in den Jemen und befreien ihn. Ich mach die Kamera und du den Text.«
»Das wär mir lieber, als eine Show mit notgeilen Kerlen und schwatzhaften Scharlatanen zu konzipieren.«
Widder, Löwe, Stier, Jungfrau
In der Handtasche hatte ich meine astrologischen Angaben und die Daten des schwarzen Löwen, der nach dem Sternenkalender kein Löwe, sondern ein Stier war. Von Astrologie hatte ich wenig
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