Grappa 14 - Grappa im Netz
öffnete ich meinen Mail-Account. Die Anzeigenkampagne im Internet und in den Zeitungen zeigte vermehrt Wirkung. Ich konnte mich vor Bewerbungen für die Single-Show kaum noch retten. Es schien, als wollten die Singles der gesamten Region ihr ödes Leben durch einen Auftritt in der Show ändern.
Ich durchforstete die einzelnen Angebote und sortierte sie. Die unter Zwanzig- und über Sechzigjährigen kamen von vorneherein nicht in Frage. Die einen waren halt zu jung – TV Fun war ja schließlich keine Jugendsender – und den über Sechzigjährigen traute keiner mehr zu, noch Interesse an Erotik zu haben.
Erotik. Sie stand natürlich im Vordergrund der Show, denn nur so konnte Quote gemacht werden. Ein Opa, der eine Begleiterin für ein Konzert des Bierstädter Akkordeon-Vereins mit anschließendem Grünkohlessen suchte, zog nicht so wie die achtunddreißigjährige Krankenschwester, die endlich mal die lesbische Liebe erleben wollte. Auch gebundene Männer und Frauen waren ›zugelassen‹, die lediglich Affären suchten, um ihr freudloses Eheleben aufzupeppen. Klar, dass die Männer hier weniger Hemmungen hatten als die Frauen.
Die Rechtschreibkenntnisse ließen bei den meisten zwar zu wünschen übrig, aber sie hatten eine Comicsprache erfunden, um Tätigkeiten oder Gefühlsregungen auszudrücken. Das las sich dann so:
*tassekaffeelatterüberschieb
*ganzdollknuddelundmehr
*bussiauffangundzurückwerf
Das Hauptthema der ersten Astro-Single-Show war: Affäre gesucht! Über Moral dachte ich in diesem Zusammenhang lieber nicht nach. Leicht genervt pickte ich mir einige Bewerber heraus und rief sie an. Ich wollte in Erfahrung bringen, ob sie ihre Wünsche auch artikulieren konnten, und stellte fest, dass mir wildfremde Menschen intimste Dinge erzählten, nur weil ich vom Fernsehen war und sie ins Fernsehen wollten.
Keine wirkliche Überraschung, denn die Sucht, sich völlig zu entblößen, wurde ja von den Medien ständig gefördert, um die Marktanteile zu erhöhen.
Mein Telefon klingelte und erlöste mich von der Rekrutierung der Kandidaten. Es war Peter Jansen. »Hast du bei Rumi was rausgekriegt?«, kam er gleich zur Sache.
»Dieser Rumi hat mich so was von abblitzen lassen«, regte ich mich auf. »Der konnte sich kaum an mich erinnern, der Typ! Also finde selbst raus, was du wissen willst! Ich quäle mich gerade mit Ehemännern und Ehefrauen herum, die fremdgehen und das auch noch öffentlich im Fernsehen herausposaunen wollen.«
»Mensch, Grappa! Langsam bin ich auch davon überzeugt, dass das doch kein Job für dich ist!«
»Stimmt«, seufzte ich. »Wäre ich jetzt beim Tageblatt, würde ich im Jemen nach Jakob Nagel suchen.«
»Klar«, lachte mein ehemaliger Chef, »du würdest mit deinem Cabrio durch die Wüste brettern und den OB raushauen. Aber nimm deinen frechen Kater mit – und setz ihn auf deine Schultern. Die rufen dann sofort den heiligen Krieg aus!«
»Jedenfalls hatte ich mir meinen Job hier etwas interessanter vorgestellt.«
»Ach, Grappa! Bei mir läuft im Moment auch nicht alles glatt.«
»Was ist denn?«
»Es ist alles so völlig verfahren.«
»Oh! Willst du auf den Arm?«
»Lieber in den Arm«, gestand Jansen.
»Peter! Was ist los? Du hast doch was!«
»Ich hab mich verliebt.«
»Du?« Ich war entsetzt.
»Was soll denn das heißen?«, gab er zurück.
»Wieso verliebst du dich?«, fragte ich erschüttert.
»Grappa! Ich bin ein Mann in den besten Jahren. Warum sollte ich mich nicht verlieben können?« Jansen schien beleidigt.
»Weil du dich noch nie verliebt hast, solange ich dich kenne.«
»Na und? Ich bin auch nur aus Fleisch und Blut!«
»Ist ja gut«, beschwichtigte ich, »und in wen, wenn ich fragen darf? In mich etwa?« Ich kicherte.
»Grappa, bevor ich mich in dich verliebe, werde ich schwul!«
»Sehr charmant! Aber so was soll auch schon vorgekommen sein – dass jemand später berufen ist und dann plötzlich alles aus ihm rausbricht und ...«
»Grappa! Hörst du mir eigentlich zu?«
O weia, dachte ich, den hat es wirklich erwischt.
»Wer ist es?«, wollte ich wissen.
»Nicht am Telefon. Können wir uns treffen?«
»Ja, klar. Heute Abend bei mir?«
»Ja. Um acht?«
»Ist gut. Peter?«
»Ja?«
»Hat Gerda es gemerkt? Oder die Kinder?«
»Nein, ich glaube nicht. Ich bin selbst noch ganz verwirrt. Und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.«
Liebeleien
Jansen verliebt! Auf dem Weg nach Hause zermarterte ich mir das Hirn, wer wohl das Objekt seiner
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