Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
du mal am Telefon erwähnt hast. Der mit dem tollen Namen.«
»Was du immer gleich denkst«, wehrte ich ab, spürte allerdings, wie ich mal wieder rot wurde. »Es war schließlich eine Dienstreise. Meinst du, da fange ich eine Affäre an?«
»Ja, das meine ich. Allerdings guckst du so, als sei sie schon wieder vorbei.«
»Es kann nicht vorbei sein, was erst gar nicht angefangen hat. Kann ich nicht mal in Ruhe essen?«, grummelte ich.
»Ist ja gut, Grappa-Baby! Du hattest nur gerade diesen waidwunden Blick aufgesetzt, als ich den Typen erwähnte. Finde ich gut, dass du in Venedig nur recherchiert hast. So richtig hart am Mann.«
»Sehr witzig«, giftete ich. »Hauptsache, du hast deinen Spaß.«
»Habe ich«, kicherte Jansen albern. »Ich sehe es gern, wenn du rot wirst. Und weil du mir so viel Freude gemacht hast, bezahle ich auch die Rechnung.«
Narben und Namen
Die Beschreibung, die mir die ehemalige SOS-Kinderdorf-Mutter Brigitte Meier von ihrem Schützling gab, passte nicht auf die junge Frau mit dem Baby, die ich als Betty Blue kannte.
To Dinh Huong war kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland am Bein operiert worden. Die Ärzte hatten es komplett aufschneiden müssen, um die akute Knochenentzündung in den Griff zu bekommen. Das Bein war gerettet worden, doch es blieben auffällige Narben zurück und es war wesentlich dünner als das andere. Betty Blue hatte solche Narben nicht – ich hatte sie ja leicht bekleidet und mit nackten Beinen in ihrer Wohnung gesehen, ein solcher ›Makel‹ wäre mir bestimmt aufgefallen.
Brigitte Meier sagte zu, mir ein Foto von To Dinh Huong zu schicken. Die alte Frau war erleichtert und glaubte, dass To Dinh Huong wieder aufgetaucht sei. Ich hatte nicht den Mut, ihr diese Illusion zu nehmen.
Dann meldete sich Bob Rabatt.
»Brinkhoff hat mich über alles informiert. Hört sich alles sehr plausibel an. Wir ziehen jetzt wohl an einem Strang«, sagte er.
»Solange ich nicht mit Ihnen unter einer Decke liegen muss.«
»Meinem Charme hat noch kaum eine Frau mittleren Alters widerstanden.«
»Ein Glück, dass ich zu jung für Sie bin«, atmete ich auf. »Was wollen Sie?«
»Ich hatte den Kollegen Brunetti in Venedig gebeten, den Körper der Wasserleiche vom Lido exhumieren zu lassen. Das Ergebnis liegt jetzt vor. Die Tote ist asiatischer Abstammung und als Kind am rechten Bein operiert worden.«
»To Dinh Huong!«
»Genau die. Und jetzt frage ich Sie, Frau Grappa – weil Sie doch so schlau sind: Wer ist denn nun diese Betty Blue?«
»Ich bin gerade dabei, es herauszufinden. Sie sind der Zweite, der es erfahren wird ... nach den Lesern des Bierstädter Tageblattes natürlich.«
Rabatt murmelte etwas von Undankbarkeit und Arroganz, doch das störte mich nicht. Gegenseitiges Angiften war zum Ritual zwischen uns geworden.
Ich ging zu Jansen und erzählte ihm von der Wasserleiche, deren Identität festzustehen schien.
»Wunderbare Geschichte!«, jubelte er. »Jetzt musst du nur noch diese Frau finden und ihr Motiv natürlich auch.«
»Stimmt«, sagte ich. »Ich werde gleich mit meinem Artikel beginnen. Kannst du einen der Volontäre bitten, mir ein Mandelhörnchen zu holen? Ich kann besser schreiben, wenn mein Blutzuckerspiegel leicht erhöht ist.«
»Wird gemacht, Grappa. Ich werde dir sogar selbst eins holen. Wollte sowieso mal eine Runde drehen. Die Volontäre sind auch nicht mehr das, was sie früher mal waren. Dein vorletztes Mandelhörnchen hat mir einen Anschiss vom Betriebsrat eingebracht – wegen ausbildungsfremder Tätigkeiten.«
»Du bist der Beste«, strahlte ich ihn an. »Dafür schreibe ich einen spannenden Artikel.«
»Dann ran«, lächelte er. »Übrigens schön, dass du wieder da bist, Grappa. Ohne dich ist die Welt echt öde.«
»Dann bring mir zwei Mandelhörnchen mit.«
Eine Viertelstunde später legte Jansen die Kalorienbomben auf meinen Schreibtisch. Ich merkte es kaum, denn ich war vertieft in die Geschichte, die nur scheinbar einer Lösung näher gekommen war. Heute Abend würde ich versuchen, Baci ans Telefon zu bekommen, denn ich musste wissen, ob To Dinh Huong wirklich im Sommer im Palazzo Contarini del Bovolo an seiner Seite gearbeitet hatte.
Ich tippte:
WELCHE ROLLE SPIELT DIE UNBEKANNTE FRAUENLEICHE AM LIDO IN VENEDIG?
Bis heute ist die Leiche einer jungen Frau, die im Herbst letzten Jahres am Lido-Strand in Venedig angespült worden war, offiziell nicht identifiziert. Fest steht nur, dass die Frau unter Drogen stand und ertrunken
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