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Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Titel: Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Gesundheit umgehen, Grappa, sonst wirst du bezahlen.
    Schon wieder dieses Wort, aber jetzt hatte es keinen Schrecken mehr. Bezahlen war das Natürlichste der Welt – nehmen und geben ... In unserer kapitalistischen Welt nannte man diesen Akt halt: bezahlen.
    Schon im Nachthemd versuchte ich noch, die Dinge aus dem Koffer in eine gewisse Ordnung zu bringen, und hielt plötzlich die Muschel vom Lido-Mädchen in der Hand.
    Obwohl erst ein paar Tage seit der Begegnung vergangen waren, kam mir alles so weit weg vor, fast traumhaft verschleiert. Ich hielt die Muschel ins Licht der Lampe und erfreute mich am Schimmern des Perlmutts.
    Die Muschel würde einen schönen Platz in meiner Wohnung bekommen, genauso wie die Maske, die ich in Dorsoduro bei der Kettenraucherin gekauft hatte. Ich packte sie aus, sie stank noch nach Nikotin.
    Die Kombination von Müdigkeit und Alkohol ließ mich ins Bett fallen und den Rest der Nacht tief und traumlos schlafen.
    Mein Hirn war noch lahm gelegt beim Erwachen am anderen Morgen. Ich schleppte mich in die Küche, holte die Gelmaske aus dem Kühlschrank, drückte sie aufs Gesicht und brachte mich wieder in die Horizontale. Kurz darauf hörte ich, wie Kati in der Wohnung rumorte.
    »Kannst du heute das Frühstück machen, bitte?«, rief ich. »Ich brauch noch eine Viertelstunde.«
    Die Blonde trat in mein Zimmer.
    »Ach, du hast die Maske«, kam es enttäuscht. »Ich wollte sie mir gerade holen.«
    »Ich war eben schneller. Leg dir ein feuchtes Handtuch aufs Gesicht«, riet ich. »Das hilft auch.«
    »Gute Idee!«
    Wasser rauschte, dann ließ sie sich neben mich aufs Bett fallen. »Darf ich dich mal was fragen, Grappa?«
    »Klar.«
    »Denkst du manchmal über das Alter nach?«
    »Ich denke oft darüber nach und frage mich, was wohl sein wird mit mir in zwanzig oder dreißig Jahren.«
    »Ich habe schreckliche Angst davor«, gab sie zu.
    »Diese Angst ist auch begründet und ich habe sie auch«, sagte ich. »In den Semesterferien habe ich mal in einem Pflegeheim für demenzkranke Leute gejobbt. Ist zwar schon tausend Jahre her, aber ich erinnere mich noch immer mit Schrecken daran. Es war schrecklich zu sehen, wie sich das Leben an den Menschen festgeklammert hat. Sie wussten nicht mehr, wer sie sind oder gewesen waren. Und manchmal hatten einige lichte Momente, erkannten ihre Lage und fingen an, bitterlich zu weinen.«
    »Wie grauenhaft!«
    »Ja, das war es. Es ist nicht menschlich. Die Eskimos setzen ihre Alten auf eine Eisscholle, geben der Scholle einen Schubs und überlassen die Oldies ihrem Schicksal. Finde ich irgendwie besser.«
    »Bei denen gibt es keine Pflegeversicherung«, wandte Kati ein. »Und wenn ein Eisbär kommt und so einen Alten verspeist – findest du das wirklich besser?«
    Ich überlegte. »Jedenfalls geht es schneller, als noch jahrelang in einem Heim dahinzudämmern, die Betten voll zu scheißen und dem Personal auf die Nerven zu gehen.«
    »Findet der Eisbär bestimmt auch«, meinte Kati.
    Wir mussten lachen.
    »Ich werde mir im Alter ein Haus im Süden kaufen«, kündigte ich an. »Dort werde ich leben. Wenn Geld genug da ist, werde ich einen durchtrainierten jungen Gärtner einstellen, der für mich mit nacktem Oberkörper Thymian und Oregano aus der Garrigue zupft.«
    »Du als Lustgreisin?«, lachte Kati.
    »Warum nicht? Gucken ist ja nicht verboten. Die schönste Liebe ist sowieso die unerfüllte und das heftigste Begehren das unausgelebte. Solang die Flamme brannte und das Nagen der Liebeswürmer mir das Herz verzehrte, sucht ich ein holdes Wild auf karger Fährte auf einsam öden Höhen zu erjagen ... «
    »Von dir?«, fragte sie.
    »Aber nein«, seufzte ich. »Wenn's von mir wäre, hätte ich schon längst alles hinter mir. Besonders das Sehnen.«

Verzogen und vermisst
    Das Haus sah so aus, wie ich es von meinem ersten Besuch im Gedächtnis hatte, an den Brand erinnerten nur ein paar Verfärbungen an der Hausfront. Ich klingelte unten. Niemand rührte sich. Ich versuchte es eine Etage höher.
    Der Türöffner surrte, ich nahm den Aufzug zu der Wohnung, in der Betty Blue gewohnt hatte. Das Klingelschild war neu beschriftet.
    Eine alte Frau öffnete die Tür, sie trug einen Morgenmantel, der vor hundert Jahren einmal pink gewesen sein mochte. Ich fragte nach Betty Blue, die Frau starrte mich nur wortlos an. Dann schüttelte sie den Kopf und machte mir die Tür vor der Nase zu.
    Ich versuchte es an den anderen Türen, doch ohne Erfolg. Entweder schlugen mir

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