Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
sagt Frau Sauerwald denn zu der Sache?«, fragte ich.
»Die Vernehmung der Zeugin gestaltet sich kompliziert. Sie ist in ständiger ärztlicher Behandlung.«
»Und was ist mit den Herztabletten? Wer hat denn nun die Pillen des Geschädigten Theo B. mit dem wirkungslosen Mittel vertauscht?«, fragte ich in dem Sprachcode des Staatsanwaltes.
»Wir können bisher nicht mit Sicherheit nachweisen, dass es wirklich zu einem Vertauschen kam und wer der Verursacher sein könnte. Theo Böhme kann sich auch selbst vertan haben. Seine Angestellten haben zu Protokoll gegeben, dass er seine Pillen gewöhnlich in einer kleinen Dose aufbewahrte. Er könnte versehentlich ein wirkungsloses Zinkpräparat eingefüllt haben. Die beiden Medikamente ähneln sich in Form und Größe.«
»Na, toll«, raunte ich Pöppelbaum zu. »Alles aufgeklärt und keiner ist es gewesen.«
»Und der rote Schuh?«, rief ich dann laut. »Warum hatte Böhme einen roten Stöckel an, als er tot aufgefunden wurde? Hat er einen Infarkt bekommen, sich dann schnell den roten Schuh angezogen, um in Schönheit zu sterben, oder was?«
Der Staatsanwalt geriet ins Schwimmen. »Das wird noch ermittelt«, sagte er. »Sie können nicht verlangen, dass wir Ihnen heute ein komplett fertiges Beweispaket präsentieren.«
»Es war Toninhos Schuh«, ergänzte ich. »Wer hat ihn Böhme angezogen?«
»Wir wissen nicht, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die sich in der Nähe des Todes befinden«, dozierte der Staatsanwalt. »Vielleicht war es ein Anflug von Reue? Oder es ist ein Hinweis, den wir noch nicht deuten können.«
Brinkhoff sah mich ernst an, nur Adriano Eckermann – zwischen dem Hauptkommissar und dem Staatsanwalt sitzend – lächelte in sich hinein.
Am nächsten Tag gab Marcel Sauerwald den Rücktritt von allen Ämtern im Verein Schwarz-Gelb 09 bekannt. Der Gesundheitszustand seiner Frau sei durch den Freitod der gemeinsamen Tochter Margit so labil, dass er sich ständig um sie kümmern müsse.
»Hab ich doch vorausgesagt«, meinte Jansen.
»So ein widerlicher Kerl«, muffelte ich. »Spielt den tollen Vater und Ehemann, nur um sich aus der Schusslinie zu bringen. Drei Tote gehen auf sein Konto.«
»Das wird nur schwer nachzuweisen sein. Sauerwald wird sehr darunter leiden, künftig ein kleines Licht zu sein. Keine Macht mehr, kein Fußballverein und vor allem keine Fußballweltmeisterschaft.«
»Der gehört in den Knast!«
»Klar. Aber schon lange. Spätestens seit er mit dem Geld der Aktionäre von Schwarz-Gelb 09 riskante Geschäfte getätigt hat. Tausende haben ihr Erspartes verloren. Schreib deinen Abschlussartikel, Grappa-Baby. Ich bin froh, dass diese Sauerwalds nichts mehr zu bestellen haben in unserer schönen Stadt.«
Ausklang
Es war Sommer. Brasilien gegen Japan in Bierstadt. Die Sushi-Bars rollten sich einen Wolf und aus allen Ecken tönte Sambamusik. Das Stadion war ausverkauft und die brasilianischen Fans ließen es so richtig krachen. Ich saß neben Simon Harras und wir warteten auf den Einlauf der Mannschaften. Die Kapelle stand bereit, um die jeweilige Nationalhymne zum Klingen zu bringen.
Brasilien lief ein: schöne, junge, schwarze Männer, mit strahlendem Lächeln, denen ihre Fans entgegenjubelten. Brasilianische Flaggen und Musik.
Plötzlich sah ich ihn. Er war von einem merkwürdigen Licht umgeben. »Nein!«, schrie ich. »Siehst du das?«
Harras schaute mich verstört an. »Was meinst du?«
»Toninho! Er ist wieder da.«
Er war es, stand auf beiden Füßen und trug rote Lackschuhe. Das rechte Bein steckte allerdings in einer blanken Stahlprothese, die in der Sonne blitzte.
»Ach so«, meinte Harras. »Wusstest du nicht, dass er wieder zurück ist? Du solltest meine Artikel lesen, Grappa. Die schwarze Gazelle von Rio war durch niemanden zu ersetzen. Und er spielt mit seinem neuen Fuß besser als je zuvor. Und besser als alle anderen Nasen auf dem Platz.«
Brasilien gewann gegen Japan mit fünf zu null. Alle fünf Treffer versenkte Toninho höchstpersönlich im Netz des Gegners – mit dem rechten Fuß.
Letzter Ausklang
»Frühstück ist fertig!«, erklang es aus der Küche. Ich räkelte mich in meinen Kissen, noch ganz benommen und erheitert durch meinen Traum.
»Kommst du?«
Ich mochte es, wenn Männer meine leiblichen Bedürfnisse befriedigten – auch die nach Kaffee und Knusperbrötchen.
»Ich bin gleich da.«
Katzenwäsche im Bad und kurz mit der Bürste durchs Haar.
Er saß in der Küche und grinste,
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