Grappa dreht durch
Sachen wurden gar nicht erst gesendet. Oder er kam zu einem Termin, der dann nicht stattfand. Angeblich waren alle diese Pannen seine Schuld. Das hat seinem Selbstbewußtsein geschadet.«
»Hat er dir gesagt, warum man ihn so behandelt hat?«
»Nein. Ich habe das auch nicht so richtig mitbekommen, weil ich mich um Carola kümmern mußte«, erzählte sie, »doch er wurde immer unausstehlicher. Schließlich sprachen wir kaum noch miteinander.«
»Du glaubst also, daß die Mörder deines Mannes in dieser Firma zu suchen sind?«
Sie nickte nachdrücklich. »Es kann nur jemand aus der Firma sein, der ihn hinuntergestoßen hat«, behauptete sie steif und fest, »John hätte eher seinen Job hingeworfen und wäre ins Ausland verschwunden. Kein Problem bei seinen Kontakten. Selbstmord ist völlig ausgeschlossen!«
»Rita! Es gibt nicht den leisesten Hinweis, daß er gestoßen worden ist. Ich habe mit der Polizei gesprochen! Ich werde versuchen, die Wahrheit herauszubekommen, aber erwarte bitte nicht von mir, daß ich dir jemanden präsentiere, der gesteht, ihn vom Dach geworfen zu haben. John kann freiwillig gesprungen sein, auch wenn du nicht daran glaubst.«
»Auf keinen Fall. Etwa eine Woche vor seinem Tod hatten wir
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eine Aussprache. John wollte die Firma so schnell wie möglich verlassen und sich mit Carola und mir aufs Land zurückziehen. Als ich ihn fragte, wovon wir leben sollten, behauptete er, eine Möglichkeit gefunden zu haben.«
»Mehr hast du nicht aus ihm herausbekommen?«
»Ich hab‘s versucht, aber vergeblich. John konnte störrisch sein wie ein alter Esel. Es klang aber so, als würde er eine Menge Geld erwarten. Er war sehr lieb bei diesem Gespräch. Fast so wie früher!«
Ritas Augen wurden schon wieder feucht. Sie hatte nah am Wasser gebaut, was mir langsam auf die Nerven ging.
»Die Sache wird immer mysteriöser, aber Geheimnisse sind dazu da, daß man sie lüftet. Laß uns das Thema zunächst mal beenden«, schlug ich vor. »Wie soll dein Leben künftig aussehen? Hast du schon mal darüber nachgedacht?«
Ihr Gesicht spiegelte Ratlosigkeit. »Wenn ich das Geld habe, wird sich schon eine Möglichkeit ergeben. Vielleicht steige ich irgendwo als stille Teilhaberin ein.«
»Ich will dir ja deine Träume nicht zerstören«, warnte ich, »aber du solltest die Million lieber nicht fest einplanen.«
»Du wirst mich nicht enttäuschen, Maria! Schon in der Schule hast du all das geschafft, was du wirklich gewollt hast.«
Das war mir zwar neu, aber ich widersprach nicht. Rita benutzte die Vergangenheit, um ein vertrautes Klima zwischen uns zu erzeugen. Ich war wohl die einzige, mit der sie über ihre Probleme reden konnte.
An diesem Abend dachte ich mir eine Strategie aus. Ich mußte so schnell wie möglich Kontakt zu diesem Fernsehsender bekommen, bei dem Masul gearbeitet hatte. Der Grund für seinen Tod war nur hier zu finden.
Den Plan, den ich entwarf, war ziemlich gewagt und würde mein Leben die nächsten Monate grundlegend verändern.
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Ein Bierchen mit BIG Boss
Die Schiebetür der Reithalle öffnete sich schwer und mit lautem Quietschen. Der Duft von Sägemehl und Pferdeäpfeln stieg in meine Nase. Ich trat ein. In der Mitte der Reithalle wartete Harry auf mich. Am Zügel hielt er ein weißes Pferd, das in der Fachsprache als »Schimmel« bezeichnet wird. Ich schlenderte zu den beiden hin.
»Hallo«, sagte ich, »ich bin Maria Grappa. Ich habe meine erste Reitstunde wohl bei Ihnen?«
Er zeigte beim Lächeln ebenmäßige, große Zähne, die denen des Schimmels in jeder Weise ebenbürtig waren.
»Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite«, behauptete er, »ich bin Harry, und das ist Heino!«
»Ein süßes Tierchen, dieser Heino«, säuselte ich, »wo hat er denn seine Sonnenbrille gelassen?«
Er kapierte diesen Supergag natürlich nicht. Ich betrachtete ihn. Harry hatte in diesem Reiterverein das klassische Skilehrer-Image. Er war besonders beliebt bei vollschlanken Hausfrauen, die wieder etwas beweglicher im Beckenbereich werden wollten. Der Vereinsklatsch sagte ihm nach, die Reitstunden in der Halle häufig über den Feierabend hinaus auszudehnen.
Harry gab wieder sein gezähntes Lächeln zum Besten. »Dann wollen wir mal auf unseren braven Heino steigen!« meckerte er.
Ich trat an den Schimmel heran und tätschelte ihm für alle Fälle den Hals. Das Tier nahm es hin, ohne sich wesentlich zu wehren.
»Nicht den rechten, sondern den linken Fuß in den Steigbügel«,
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