Grappa dreht durch
Haben Sie eine feste Stelle?«
»Oh nein!« wehrte ich ab. »Ich bin eine Journalistin, die Wert auf ihre Freiheit legt.«
»Das verstehe ich. Aber eine feste Anstellung hat auch ihre Vorteile. Hätten Sie nicht Lust in einem jungen Unternehmen mit einem engagierten Team zu arbeiten? Gerade im Augenblick ist eine Stelle frei geworden. Noch ist der Job zu haben. Ich führe gerade die Personalgespräche. Also überlegen Sie!«
»Vielen Dank für das Angebot«, hauchte ich. Mein penetrantes Dauerlächeln quälte meine emanzipierte, aufrechte Frauenseele. Lange hältst du das nicht mehr durch, dachte ich.
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Ich war von seinem Bauch abgerückt, hatte dafür aber seinen Schenkel an meinem Bein.
»Vielleicht können wir ein anderes Mal weiter reden«, schlug ich vor. »Ich habe zu Hause noch eine Menge Arbeit auf dem Schreibtisch. Also - vielen Dank für das Bier, Herr Boss!«
Ich ließ ihn stehen, um die Lokalrunde zu bezahlen. Die übrigen Reiterkameraden erhoben plötzlich die Gläser und prosteten mir zu. Boss hatte ihnen wohl ein Zeichen gegeben. Mit einem kühnen Sprung hatte er sich von seinem Barhocker hinunterbewegt und stand nun mitten im Raum.
Er hob das Bier und brüllte zackig: »Vielen Dank der edlen Spenderin! Auf unseren Neuzugang Frau Maria Grappa! Auf daß sie noch viele Stunden in unserem Rund ein Bierchen und ein Körnchen trinke. So wie heute Abend. Wir Reiterkameraden sind ein angenehmes Völkchen.«
Ich verzog den Mund zu einem Lächeln. Doch das Aufnahmeritual war noch nicht beendet.
»Die Freiheit dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde! Hipp, hipp, hurra!«
Die Reiterkameraden wiederholten die letzten drei Worte seiner Rede. Ich muß raus hier, dachte ich, bevor die Stammesrituale ihrem Höhepunkt entgegenstreben.
Doch so schnell wie sie gekommen war, war die Gefahr vorüber. Zufriedenes Stammtischgebrumm füllte kurz darauf den Raum. Die Kellnerin steuerte mit dem Wechselgeld auf mich zu. Ich nahm es und gab Boss meine Hand zum Abschied.
»Es war sehr freundlich von Ihnen, mich so nett in Ihren Reiterclub einzuführen«, klimperte ich.
»Bei so netten Damen immer«, gockelte er. »Wann sehen wir uns wieder?«
Seine kleinen Augen, die tief in die rosigen Wangen eingebettet lagen, forderten eine positive Antwort. Schließlich hatte er schon fünfzehn Minuten in mich investiert.
»Vom Reiten habe ich erst mal die Nase voll!« lachte ich. »Das Schicksal wird uns sicherlich noch einmal zusammenführen!«
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»Darf ich Sie anrufen? Ich hätte da nämlich einen Vorschlag, der Ihre berufliche Zukunft betreffen könnte.«
Seine Pranke lag auf meinem Arm. An seinem Mund klebte Bierschaum.
»Sie wollen mir bestimmt vorschlagen, daß ich Ihre Pferde zureiten soll, oder?« witzelte ich.
Er lachte dröhnend. »Ich mag Frauen mit Humor. Also, wann sehen wir uns wieder? Damit ich Ihnen meinen Vorschlag erläutern kann.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Überlassen wir es dem Zufall«, schlug ich vor. Nur nicht zu viel Interesse heucheln, dachte ich.
»Wie wäre es mit morgen Abend?« drängelte er. »Ich gehe abends in die Oper. >La Bohéme< von Puccini. Im Rahmen der italienischen Woche in Bierstadt. Ein Bekannter von mir hat den Abend gesponsert. Hätten Sie nicht Lust mitzukommen?«
Auch das noch. Mit Opern konnte man mich jagen! Ich riß mich zusammen. »Warum nicht? Ein Opernbesuch ist eine feine Sache.«
In meinem Hals würgte ein Lacher. Ich konnte gar nicht so schnell denken, wie ich log.
Hinter der Casinotür prustete ich los. Alles war glatt gegangen, er zappelte an der Angel. Ich bedauerte die armen Kollegen, die sich auf die Annonce im Fachblatt beworben hatten. Dort war die Stelle, die John Masul besetzt hatte, ausgeschrieben worden. Die Firma »Teleboss« suchte einen erfahrenen Redakteur und Reporter, »eine Kollegin ist uns natürlich auch willkommen« - so hatte es in der Stellenanzeige geheißen.
Wie gut, daß Männer besser gucken, als denken können, dachte ich. Jeder halbwegs intelligente Mensch hätte meine Anmache in die Rubrik »Gut gemeint, aber schlecht gemacht« eingestuft.
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Künstlerelend und Journalistenleid
Giacomo Puccini wurde 1858 in Lucca geboren, in einer der berühmtesten toskanischen Städte. Weltruhm erlangte der Komponist mit »La Bohéme«, einer Oper, die in der Künstlerszene in Paris spielt. Sie gilt als eine der schönsten italienischen Opern.
Sie schildert die Geschichte eines Dichters, der sich in eine arme
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