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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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sein?« stellte sie die Standardfrage ihres Berufsstandes.
    »Eine Runde für alle.«
    »Und was?« ermittelte sie weiter.
    »Das Übliche.«
    »Pils und Korn?«
    »Klar. Wenn das hier so üblich ist.«
    Sie nickte mürrisch. Ich wandte mich wieder ihm zu.
    »Ich bin froh, daß ich die Stunde hinter mir habe«, plapperte ich. »Von unten sieht alles so leicht aus. Aber wenn man erst mal oben ist, bekommt man ein merkwürdiges Gefühl. Man fühlt sich so schrecklich ausgeliefert, irgendwie nicht so im Einklang mit der Kreatur, wie es nötig wäre.«
    Ich rede vielleicht einen Schrott, dachte ich. Meine Kehle war trocken. Zum Glück brachte die Kellnerin Pils und Korn. Ich ergriff mein Glas und prostete ihm zu.
    Er trank und sagte: »Darf ich mich erst einmal vorstellen? Mein Name ist Bernhard Immanuel Gustav Boss. Ich gehöre dem Vorstand des Reitervereins an. Und ich habe zwei meiner Pferde hier untergestellt. Einen Fuchs namens >Rasputin<, ein >Ramses< -Nachkomme, und einen braunen Westfalen von >Duellant<.«
    Ich hatte keine Ahnung vom Pferde-Gotha, doch ich hätte mich mit den Stammbäumen meiner Edelkatzen revanchieren können, deren Ahnenlinien laut Züchtergutachten ebenfalls
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bis zu Ramses dem Dritten zurücklangten. Doch dies hier war seine Show.
    »Angenehm, Herr Boss. Ich bin Maria Grappa. Ich freue mich, daß ich einen so charmanten Herrn wie Sie kennengelernt habe. Das versöhnt mich geradezu mit meiner Bauchlandung im Sägemehl!«
    Er lachte dröhnend und rückte näher. Das nächste Bier kam. Es schäumte, wie nur Bier in Bierstadt schäumen kann: Weiß, locker und frisch. Herr Boss und ich prosteten uns zu.
    »Die meisten hier nennen mich BIG Boss. Wegen meiner drei Vornamen. Bernhard Immanuel Gustav.«
    Weiß ich, du Angeber, dachte ich. Mein Lächeln machte mir inzwischen Mühe. Morgen würde ich nicht nur Muskelkater im verlängerten Rücken, sondern auch in den Mundwinkeln haben.
    »Wie originell«, miaute ich, »ich hoffe, Sie sind in Ihrem beruflichen Leben auch ein großer Boss!«
    »Könnte sein!« deutete er an. »Aber was ist Erfolg, wenn man ihn hat? Bist du ganz oben, dann zählen andere Werte. Partnerschaft, eine glückliche Beziehung, die Fähigkeit, sich zu entspannen. Einmal das zu tun, von dem man immer geträumt hat. Reisen, Bücher lesen, Bücher schreiben und die Schönheiten des Lebens wieder sinnlich erfassen. Dazu braucht ein Mann wie ich vor allen Dingen Muße. Das Gespräch unter Freunden, neue Bekanntschaften, interessante Begegnungen -so wie heute abend. Die Seele baumeln lassen - das habe ich mir für die nächsten Jahre vorgenommen.«
    Selbstzufrieden schluckte er das Bier. Sein Blick schabte an mir herunter. Ich verspannte mich. Dieser Mann vereinigt alle negativen Eigenschaften seiner Spezies, dachte ich. Großkotzigkeit gepaart mit Überheblichkeit und Selbstüberschätzung.
    Er wischte sich mit dem Handrücken den Bierschaum vom Mund. »Sie erraten bestimmt nicht, in welcher Branche ich tätig bin!«
    Doch, du Angeber, dachte ich, wenn du wüßtest, was ich alles über dich weiß, BIG Boss! Glaubst du vielleicht, ich hätte
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mich freiwillig mit Heino und Harry abgegeben und mein Leben riskiert?
    Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm. »Daß Sie erfolgreich sind, das sieht doch jeder! Erfolgreiche Männer haben so eine starke Ausstrahlung! Sie sind Bauunternehmer? Oder ein erfolgreicher Rechtsanwalt? Oder nein, Chefarzt! Habe ich nicht recht?«
    Das Flöten in meiner Stimme machte meine Kehle schon wieder trocken. Ich nahm einen Schluck aus dem Glas. Dann fuhr ich mit den Fingern durch meine roten Locken. Bertha Biber hatte mindestens zwei Stunden und 45 kleine Wickler gebraucht, um mir diese Löwenmähne zu stylen. Ich sah aus wie ein Mop, der versehentlich in die Mikrowelle geraten war.
    »Knapp daneben«, dröhnte er, »ich habe eine Firma. Ich bin Besitzer der Fernsehproduktionsgesellschaft >Teleboss<.«
    »Tatsächlich?« Ich spielte die Überraschte. »Ist das nicht die Firma, die in dem Verlagshochhaus sitzt? Sie stellen doch das Regionalmagazin für den Privatsender her, oder?«
    »Sie sagen es, gnädige Frau! Sie sind gut informiert. Arbeiten Sie auch in der Branche?«
    »Ich bin Journalistin. Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk, Fernsehen - ich arbeite für alles, was da heutzutage so anfällt in unserer bunten Medienwelt.«
    Er rückte näher. Sein Bauch streifte meine Hüfte, als er fragte: »Und? Welches Medium bevorzugen Sie zur Zeit?

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