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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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zu mir und winkte mich näher heran. »Hallo, Frau Grappa! Schauen Sie, das bin ich. Ganz rechts. Namibia - letztes Jahr. Gleich fällt das Tier!«
    Das Opfer bewegte sich arglos über die Savanne, zupfte hier und da ein Büschel Gras, nicht wissend, daß es nur noch wenige Atemzüge lang zu leben hatte.
    Nun hob es den schlanken Hals und nahm Witterung auf. Zu spät.
    Eine Kugel traf den Bock in den Hals, aus der Schlagader pulsierte das Blut in Strömen. Die Kamera suhlte sich genüßlich in dem Blutstrom.
    Die Antilope wollte weglaufen, hatte aber nicht mehr die Kraft dazu. Sie taumelte und knickte dann mit den Vorderbeinen ein. Das schöne Tier öffnete noch einmal die dunklen Augen, legte das Köpfchen zur Seite und verendete. Die Kamera hatte seinen Todeskampf in allen Einzelheiten dokumentiert.
    BIG Boss drückte auf den Aus-Knopf.
    »Tolle Leistung!« bemerkte ich. »Zu mehreren auf ein solch schönes Tier zu ballern. Mit Zielvorrichtungen auf dem Gewehr. Großwildjäger sind wohl besonders mutige Männer, oder?«
    »Wie meinen Sie das?« Er wirkte irritiert. »Warum nur«, fuhr ich unbeeindruckt fort, »haben Leute wie Sie so viel Spaß an blutigen, zerschnittenen, zerschossenen
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Tierkadavern? Wie pervers muß man eigentlich sein, um ein totes Tier einem lebenden vorzuziehen?«
    »Ich glaube, Sie vergreifen sich im Ton, Frau Grappa!«
    Der Mann kannte mich nicht. Ich saß auf dem Zug, der in Richtung fristlose Entlassung raste. Und ich wollte genau zu diesem Zeitpunkt darauf sitzen bleiben!
    »Jetzt fehlt nur noch das Heldenepos vom Jäger als Heger und Pfleger. Die Mär von dem Ungleichgewicht in der Natur, das Leute wie Sie wieder mit der Knarre in Ordnung bringen müssen. Gekleidet in lächerliche grüne oder sandfarbene Klamotten. Oder, wie wär‘s mit der Nummer vom Urtrieb des Mannes als Jäger, der seine Beute erlegen muß? Verteidiger des Feuers? Ernährer seiner Sippe? Also bitte, ich höre!«
    BIG Boss war bleich vor Wut. Er rang nach Luft. Dann brüllte er so laut, daß das Hochhaus wackelte: »Raus hier!!!«
    Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord
    BIG Boss lief durchs Gras. Sein Gewicht verschaffte ihm einen kurzen Atem. Rita hatte ein Buschmesser zwischen die Zähne geklemmt und dachte an Blut. Sie war schneller als ich. Behende lief sie durch die hohen Halme, Mordlust in den hellblauen Augen. Bernhard Immanuel Gustav Boss schrie auf, denn Bertha Biber kam plötzlich hinter einer Hecke hervor. Sie hatte eine Peitsche in der Hand und lief schreiend auf ihr Opfer zu. Ihr Kopf war mit bunten Federn geschmückt, trotz der Hitze trug sie ihren Lackmantel und die hochhackigen Stiefeletten.
    Ich hatte ein Gewehr in der Hand und stand regungslos auf einer sonnenumfluteten Lichtung. Unser Wild lief in die richtige Richtung, denn hinter der Felsformation lauerte Carola mit einer Schrotflinte. Sie würde ihm den Rest geben. BIG Boss sah nicht, wie das Kind die Waffe hob und zielte. Der Knall war ohrenbetäubend. Schweißgebadet wachte ich auf.
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Ich blieb eine Weile liegen und achtete auf meine Gefühle.
    Plötzlich spürte ich, daß ich den Schlüssel zur Aufklärung des Todes von Masul in der Hand gehabt hatte. Der Weg aus dem Labyrinth führte nicht direkt zu Brokkoli, sondern auf Umwegen. Welche Hinweise hatte Masul hinterlassen? Ein Bündel alter Zeitungen mit markierten Kontaktanzeigen, eine knappe Nachricht über den Mord an einem Callgirl. Einen sentimentalen Liebesbrief, der auch von Todessehnsucht handelte.
    Ich grübelte, doch mir fiel nichts ein. Eine der Spuren hatte ich vernachlässigt. Es war der Hinweis auf den Mord an dem 20-jährigen Callgirl gewesen. Aus irgendeinem Grund hatte Masul die Meldung über den grausamen Mord aufgehoben. Zwei Teile der Story lagen isoliert: Der Film, den die Entführer haben wollten, und der Tod des Mädchens. Vielleicht konnte ich diese beiden Bruchstücke in Einklang bringen?
    Ich stieg aus dem Bett und knipste das Licht an. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Müde räkelten sich meine beiden Katzen in ihrem Korb. Sie nutzten die Chance, um etwas Futter zu betteln.
    Aufgewühlt setzte ich mich in den Ledersessel. Zur Beruhigung schaltete ich den Fernseher an. Der Privatsender wiederholte das Regionalmagazin, das »Teleboss« hergestellt hatte. Das flotte Programm für eine unruhige Nacht!
    Rudi Mühlen erzählte zum x-ten Mal seinen Sermon über die mitreißende Jahreshauptversammlung der Bierstädter Industrie- und

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