Grappa dreht durch
Keine lange Einleitung! Ohne langes Vorspiel hinein ins Vergnügen.
Überschrieben war der Text mit den Worten: Ich rede sexy!
»Zahlen sie alle freiwillig?« wollte ich wissen.
»Die Zahlungsmoral ist eigentlich gut. Und wenn einer nicht zahlt, hat die Agentur mehr Möglichkeiten als ich, ihn zur Zahlung zu überreden.«
»Und wie?«
»Anrufe bei Ehefrauen oder am Arbeitsplatz. Dann zahlen die Männer immer ganz schnell.«
»Und wieviel kostet es, wenn Sie mit den Herren sprechen?«
»Das kommt darauf an. Wenn‘s schnell geht, bringt es nur 50 Mark ein. Will einer was Besonderes, nehme ich ihm mehr ab.«
»Verstehe. Wem gehört die Agentur?«
»Brokkoli ist der Boß.«
»Natürlich. Schon wieder Brokkoli!« sagte ich genervt. »Ich bin eigentlich wegen Elvira hier. Können wir über sie reden?«
Sie nahm den Hörer ab, wählte eine Ziffer und legte ihn daneben. Dann setzte sie die Kaffeemaschine in Gang und zog die Schnur des Bügeleisens aus der Steckdose.
»Sie war meine Freundin. Fragen Sie!«
»Hat Elvira auch Telefonsex gemacht?«
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»Die nicht. Sie hatte keine Stimme dafür. Tiefe Stimmen sind besser für das Telefon als helle. Elvira hatte einen tollen Körper, viel schöner als ich.«
»Wie war sie?«
»Sie war lieb und lachte gern.« »Wer kann sie umgebracht haben?«
Vanessas Miene verfinsterte sich. »Ein widerliches Schwein, das Spaß daran hat, Frauen zu quälen. Ich habe Elvira im Leichenschauhaus gesehen. Sie war kaum wiederzuerkennen. Ihr ganzer Körper war eine einzige Wunde. Sie ist innerlich verblutet, weil ihr der Kerl einen scharfen Gegenstand ...«
»Hören Sie auf«, sagte ich, »mir wird gleich schlecht.«
Hastig nahm ich einen Schluck Kaffee. Die Bitterkeit der Bohnen krampfte meinen Magen zusammen. Die Abscheu wich der Wut. »Sie hatte einen festen Freund. Haben Sie ihn jemals kennengelernt?«
»Nein. Er kam nie hierher.«
»Wieso hierher! Meinen Sie, in diese Wohnung?«
»Ja, Elvira hat zuletzt hier gewohnt.«
»Das wußte ich nicht. Haben Sie vielleicht noch Dinge, die ihr gehört haben?«
»Klar. Sie liegen in einer Pappkiste. Moment, ich hole sie.«
Vanessa verließ die Wohnküche. Ich schaute ihr nach. Sie war eine nette junge Frau mit schneller Auffassungsgabe und einer guten Portion Intelligenz. Sie hätte diesen Beruf nicht ausüben müssen.
»Warum suchen Sie sich keinen anderen Job?« fragte ich, als sie zurück kam.
»Ich verdiene gut. Und ich kann mir die Kunden aussuchen. Am liebsten mache ich den Telefonsex. Eine saubere Arbeit.«
»So kann man das natürlich auch sehen!« räumte ich ein. »Hat Ihnen Brokkoli mal ein Angebot gemacht, in einem Pornofilm mitzumachen?«
»Nein. Hätte ich auch nicht gemacht. Kann ja sein, daß ich mal heirate oder so. Solche Filme sind nichts für mich.«
»Aber es gibt gutes Geld dafür, oder?«
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»Das schon. Aber der Job ist schmutzig. Bei den harten Pornos läuft alles ohne Gummi. Wer sich nicht darauf einläßt, fliegt raus. Trotz Aids.« Sie deutete auf den Karton. »So. Hier ist alles drin, was von Elvira übriggeblieben ist.«
»Darf ich reingucken?«
»Klar. Ich habe auch noch ein paar Fotos. Wollen Sie die auch sehen?« »Natürlich.«
Die Kordel um den Karton war doppelt verknotet. Mit zitternden Fingern knüpfte ich den Verschluß auf. Um einen besseren Überblick zu bekommen, kippte ich den Inhalt auf den Küchentisch.
Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Ein paar Kosmetika, zwei Haarreife, Schleifen, Bilder von Fernsehstars und die Seite einer polnischen Zeitung. Unter der Zeitung spürte ich einen harten Gegenstand. Es war eine Compact Disc.
Ich sah sie mir an und erstarrte. Das 5. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven! Die Mini-Platte war noch originalverpackt in Zellophanpapier, also nie abgespielt worden.
Der zweite Schock folgte eine Minute später. Vanessa reichte mir die Fotos, von denen sie gesprochen hatte. Elvira war rosig, blond und sehr jung. Doch nicht ihr Aussehen ließ mich erstarren, sondern die Fensterbank, vor der sie posierte. Aber es war auch nicht direkt die Fensterbank allein, sondern das, was auf ihr stand.
»Kennen Sie diese Blumen?« fragte ich Vanessa.
»Natürlich!« entgegnete sie. »Lila Hyazinthen.«
»Warum stehen die dort? Und dann noch so viele? Das sind mindestens acht Pflanzen!«
»Elviras Lieblingsblumen. Sie konnte nicht genug davon kriegen. Ich fand den Geruch scheußlich, doch sie liebte ihn. Im Frühjahr hat sie sich eine Menge
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