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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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am Tisch. Lustlos stocherte ich in der Vorspeise herum. Es gab in Teig ausgebackene Zucchini-Blüten.
    »Darf ich nachschenken?«
    Er wartete die Antwort nicht ab. Der leichte Weißwein hatte die richtige Temperatur, das Glas beschlug. Ich malte mit der Zeigefingerspitze einige Phantasiezeichen auf die gebogene Fläche.
    »Machen wir weiter?«
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Er griff quer über den Tisch und nahm meine Hand. Sein Blick bettelte.
    Ich entspannte mich. »Meinetwegen. Aber keine Tricks mehr!«
    Er nickte. Dann stießen wir auf unsere gerade geborene Partnerschaft mit Champagner an.
    Seine Augen waren tatsächlich lila, mit ein oder zwei oder mehr goldenen Pünktchen drin.
    Ruf doch mal wieder an!
    Elvira G. hatte eine Kollegin, die zur gleichen Zeit wie sie aus Polen nach Bierstadt importiert worden war. Sie hatte sich den schönen deutschen Namen »Vanessa« gegeben und bot ihre Dienste im Hostessen-Service der örtlichen Tageszeitungen an. Bei Flaute erfreute sie diverse Herren telefonisch. Ich saß seit einigen Minuten bei ihr in der Wohnung, einem Appartement im Bierstädter Norden, so geräumig, daß ein breites Bett ins Zimmer paßte. Fernseher, Kleiderschrank und Waschmaschine mußten sich mit einem Plätzchen in der Küche begnügen.
    Vanessa bügelte gerade. Ich hockte auf dem einzigen Küchenstuhl und sah ihr zu. Sie war im Dienst. Der weite Jogginganzug hatte eine giftgrüne Farbe und glänzte, was der Stoff hielt. Die Füße steckten in hochhackigen Pantöffelchen, um den Kopf hatte sich die Polin ein Baumwolltuch in Trümmerfrauen-Look gewickelt, unter dem Lockenwickler hervorlugten. Ein dicker Wollschal schützte den Hals. Vanessa hatte Grippe ohne Krankenschein.
    Carola Masul hatte sich an Elviras Freundin Vanessa erinnert. Ihre Telefonnummer wurde zweimal die Woche per Kleinanzeige offeriert. Da war von Verwöhnen die Rede, von exklusiven Wünschen und von freien Terminen. Ich buchte einen halbwegs freien Termin per Telefon.
    Vanessa bearbeitete mit dem Dampfbügeleisen gerade den
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Kragen einer blütenweißen Bluse, als sich das Telefon bemerkbar machte. Vanessa meldete sich in fast akzentfreiem Deutsch und mit heiserer Stimme. »Hallo, Süßer!« hauchte sie in die Muschel. »Ich liege gerade auf meinem Bett und habe nur einen schwarzen Slip und einen BH an. Ich habe gerade geduscht, und mein geiler Körper ist noch ganz feucht...«
    Am anderen Ende der Leitung war heftiges Stöhnen zu hören. Ich grinste. Vanessa kniff mir ein Auge zu. Sie klemmte den Hörer zwischen Schulter und Wange und bügelte emsig weiter.
    »Wie du willst, mein kleiner geiler Bock«, flötete sie und zwang sich ein paar Stöhner raus, »ich nehme jetzt meine Hand und lasse sie ganz langsam zu meiner Muschi gleiten ... hörst du, wieviel Spaß es mir macht. Oh ... ohh!«
    Die letzten Stöhnlaute waren echt, denn einhändiges Bügeln ist nicht jederfraus Sache. Vanessa hatte sich den Finger mit dem Eisen angesengt.
    Sie wies ihren Kunden an, sein primäres Geschlechtsmerkmal aus der Gefangenschaft einer vermutlich schlecht sitzenden, muffigen Hose zu befreien, und legte den Hörer aufs Bügelbrett.
    Am Waschbecken ließ sie sich kaltes Wasser über den verletzten Finger laufen und wickelte ihn anschließend in ein feuchtes Zellstofftuch.
    Die Aktion dauerte einige Zeit. Ich blickte auf den Telefonhörer. Vanessa deutete darauf und bat mich stumm, die Aktivitäten des Kunden zu überwachen. Zögernd griff ich nach dem Teil.
    Am anderen Ende war ein atemloses »Hörst du mir auch zu?« zu vernehmen. Ich flüsterte: »Aber ja, Süßer!«
    Vanessa dankte mir mit einem Kopfnicken und nahm das Geschehen wieder in ihre Hand. »Ja, ja! Ich bin gleich so weit ... Ja, guut!«
    Kurze Zeit später war der Herr am anderen Ende am Ziel seiner Wünsche. Die junge Frau versicherte, ihrerseits großen
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Spaß gehabt zu haben, und stellte die baldige Zusendung einer Rechnung in Aussicht.
    »Und wenn der Kerl nicht zahlt?« fragte ich.
    »Ein Stammkunde«, erklärte sie. »Er ruft fast jede Woche an. Er zahlt immer pünktlich.«
    »Überweist er die Knete?«
    »Nein, er zahlt an die Agentur. Die Hälfte des Geldes ist für mich.«
    »Eine Agentur?«
    »Ich könnte den Job auch allein machen«, sagte sie und griff nach weiterem Bügelgut, »doch viele wollen nicht zahlen. Die Agentur schaltet die Anzeigen in den Zeitungen und treibt das Geld ein.«
    Sie deutete auf die Zeitung, die auf dem Tisch lag. Ich las die Anzeige. Vollgas sofort!

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