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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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verliebst?«, fragte er.
    »Nein, so was passiert und man kann nichts dagegen tun – auch, wenn man will«, seufzte ich.
    »Siehst du!« Er nahm eines der Fotos. »Wie alt sie wohl ist?«
    »Um die zwanzig. Bisschen jung für so einen alten Knacker wie dich, meinst du nicht?«
    »Es gibt doch dieses Gedicht von der Liebe«, sinnierte der Bluthund. »In dem der Verstand immer sagt, dass es nicht geht, und die Liebe behauptet, dass es doch geht.«
    »Ja, von Erich Fried. Was es ist. So heißt es. Ziemlich kitschiges Teil.«
    »Kannst du mal eben googeln und es mir ausdrucken, Grappa?«, bat er.
    Es hatte ihn voll erwischt. Ob es ihn wohl stören würde, wenn er wüsste, dass Ivana auf den Strich gegangen war? Ich überlegte nicht weiter, es würde sich ohnehin entwickeln – in welche Richtung auch immer.
    »Hier ist es«, sagte ich und reichte ihm den Zettel.
    »Hör mal zu, Grappa. Was ist daran kitschig?
    Es ist Unsinn
    sagt die Vernunft
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe
    Es ist Unglück
    sagt die Berechnung
    Es ist nichts als Schmerz
    sagt die Angst
    Es ist aussichtslos
    sagt die Einsicht
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe
    Es ist lächerlich
    sagt der Stolz
    Es ist leichtsinnig
    sagt die Vorsicht
    Es ist unmöglich
    sagt die Erfahrung
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe.«
    »Ein Gedicht, das nur unglücklich Verliebte mögen«, stellte ich fest. »Darf ich dir einen Rat geben?«
    »Na, klar, Grappa.«
    »Versuch, deinen Verstand nicht ganz auszuknipsen. Du kennst das Mädchen nicht, weißt nichts über ihr Leben. Vielleicht ist sie längst verheiratet und hat Kinder. Bei den Roma werden die Mädchen schon mit vierzehn in Ehen getrieben. Nicht, dass du dir eine blutige Nase holst oder Schlimmeres.«
    »Vielleicht mag sie mich ja gar nicht. Dann hat sich das Thema sowieso erledigt.«
    Das wäre das Beste, dachte ich insgeheim.
    Mein Artikel war schnell geschrieben und ich krönte ihn mit einem gelungenen Foto des POM Krüger bei der Arbeit. Die Bildunterzeile lautete: Immer im Dienst der Wahrheit: Ein engagierter Polizist verteilt Flugblätter, um die Identität der ermordeten Romafrau zu klären. Und dann noch ein Foto von Maxi Singer, Ivana und Mobby. Gegen die Mauer des Schweigens: Missionsleiterin Maxi Singer versucht mithilfe einer Dolmetscherin, Kontakt zu den bulgarischen Roma zu bekommen.
    Dazu ein paar Zeilen zum Fall selbst und erneut die Aufforderung, dass sich Zeugen melden sollten. Fertig. Ich packte meine Sachen.
    Auch auf dem Verlagsparkplatz hatte jemand Flugblätter hinter die Scheibenwischer einiger Fahrzeuge geklemmt. Ich dachte zunächst an die Suchmeldung der Kripo, doch ich täuschte mich. Zigeunerinvasion in der Nordstadt, las ich. Es war klar, aus welcher politischen Ecke diese Töne kamen. Auf dem Flugblatt war eine Internetadresse angegeben. Zu Hause würde ich der Sache auf den Grund gehen.

Zigeunerliebe – Zigeunerhass
    Ich öffnete eine Flasche Wein, stellte ein paar Leckereien zusammen und verzog mich in den Garten. Es war ein wunderschöner Sommerabend. Winzige Fliegen tanzten im letzten Licht. Nach einem Glas war ich so weit, mich mit den Neonazis befassen zu können. Dank WLAN konnte ich auch im Garten im Internet surfen.
    Unter der Internetadresse fand sich als erster Eintrag der Text des Flugblatts:
    Zigeunerinvasion: Sie klauen, brechen ein und schicken ihre Frauen auf den Strich
    Ganze Straßenzüge in der Nordstadt werden derzeit von einer regelrechten Invasion bulgarischer Zigeuner heimgesucht. Die Eingereisten bieten sich als billige Arbeitskräfte an. Die Frauen prostituieren sich.
    Die Zigeuner hausen unter widrigsten Umständen in Wohnungen, die sie einfach besetzen. Müll und Speisereste werden durch das Fenster entsorgt.
    Die Fakten: Seit 2007 sind über 3.000 Männer und Frauen aus Bulgarien mit einem Touristenvisum nach Bierstadt gekommen. Durch die 3.000 Personen werden 3.000 Arbeitsplätze vernichtet, die durch Deutsche besetzt werden könnten.
    Nur durch die konsequente Rückführung von Ausländern in ihre Heimatländer kann die ausufernde Überfremdung gestoppt und dem Niedergang ganzer Stadtteile entgegengewirkt werden.
    Noch schlimmer als diese Töne waren die Leser-Einträge:
    Wir müssen etwas gegen diese Art von Menschen unternehmen. Bald werden sie auch in euren Gärten sein und eure Keller aufbrechen, euch bedrängen und bedrohen! Wir müssen handeln, so lange es noch geht. Ich bin kein Rassist und habe selbst einen türkischen Migrationshintergrund.

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