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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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machen, hatte ich noch nicht verinnerlicht.
    Die Bäckerin war ganz in ihrem Element, als ich die Tür aufschob. Es herrschte viel Andrang, der Artikel im Tageblatt hatte die Kundschaft neugierig gemacht. Anneliese Schmitz hatte ihn ausgeschnitten und hinter die Glastür geklebt: Kinder überfallen Bäckerei – Frau verletzt.

    »Tach auch«, grüßte ich.

    »Tach, Frau Grappa«, strahlte die Schmitz. Auf ihrer Wange leuchtete ein buntes Pflaster in Neonfarben.

    »Wie isses?«

    »Muss. Und selbst?«, kam es zurück.

    »Muss.«

    Endlich stimmten die Rituale wieder.

    »Gehen Se schomma vor«, meinte sie. »Er ist hinten. Ich mach hier nur noch fertig.«

    Anton Brinkhoff saß zeitunglesend im Bistro, vor sich noch unberührte Leckereien.
    »Hallo, Herr Brinkhoff«, rief ich.

    »Tach auch, Frau Grappa.« Er drückte meine Hand. »Hat ja geklappt mit dem Römischen Kaiser. Guter Artikel übrigens.«

    »Ohne Sie hätte ich ihn nicht schreiben können«, entgegnete ich. »Danke dafür.«

    Ich setzte mich und freute mich auf ein gemütliches Frühstück. Prompt klingelte es aus meiner Handtasche. Nummer unterdrückt.
    »Hier Grappa.«

    »Glückwunsch zu deinem Artikel«, sagte Friedemann Kleist.

    »Danke. Du bist schon der zweite Mensch, der mir heute dazu gratuliert.«

    »Wie bist du an Sello herangekommen?« Oha. Der Ton war ungnädig.
    »Ich habe einen Privatdetektiv auf dich angesetzt«, schwindelte ich.

    »Sehr witzig. Ich hätte es bemerkt, wenn mich jemand verfolgt hätte.«

    »Doch, es stimmt. Du hast Sello gestern Nachmittag höchstselbst zum Hotel Römischer Kaiser gefahren – erinnerst du dich?«

    »Maria! Ich mag solche Spielchen nicht.«

    »Ich auch nicht. Eigentlich. Aber deine ach so offene Informationspolitik provoziert meine Kreativität. Wenn ich nichts weiß, kann ich nichts schreiben. So einfach ist das«, zickte ich.

    »Es gibt heute eine Pressemitteilung zu der Waffe, die Patrick Sello benutzt hat. Guck sie dir an, dann hast du was zu schreiben.«

    »Karge Infos. Ja. Ich brauche die menschlichen Geschichten. Und die bekomme ich von dir nicht«, sagte ich.
    Brinkhoff grinste sich eins. Ob er ahnte, wer mein Gesprächspartner war?

    »Habt ihr die Lehrerin noch mal vernommen? Was sagt sie?«, fragte ich.
    »Wir reden mit ihr«, antwortete er kurz. »Können wir uns heute Abend treffen?«

    »Ich bin zu Hause. Du weißt ja, wo ich wohne. Komm doch einfach spontan vorbei, dein Auto steht sowieso noch bei mir«, beendete ich das Gespräch.

    »Er ist aber auch manchmal schwierig, der Herr Doktor«, lachte Brinkhoff. »Allerdings sind Sie nicht einfacher.«

    Ich schenkte mir die Antwort, denn Frau Schmitz war auf dem Weg zu uns. Sie balancierte drei Becher Kaffee in den Händen.

    »Ich hab den Laden kurz dichtgemacht«, berichtete sie. »Damit wir in Ruhe klönen können.« Sie stellte die Becher ab. »Und nun haut rein, Leute.«

    Wir kamen der Aufforderung nach. Die Brötchen knackten beim Aufschneiden, der Pavé d’Affinois begann gerade zu laufen und der spanische Serrano war lange gelagert und deshalb trocken.
    »Schönen Artikel haben Sie geschrieben, Frau Grappa«, lobte die Bäckerin. »Die haben mir heute die Bude eingerannt, die Leute. Aber die andere Sache mit dem Vater des Mörders war auch prima. Ist ja schlimm, dass ein Bengel aus gutem Hause so was macht. Hatte der das denn nötig? Die Blagen, die mich überfallen haben, waren jedenfalls nicht solche. Die hatten einfach Kohldampf.«

    »Gewalt blüht nicht nur auf ödem Boden«, dozierte ich. »Der Mörder hat seine Gründe ja in einer Videobotschaft offengelegt. Die Geldgeilheit der Gesellschaft, die Hartherzigkeit, emotionale Enge statt toleranter Tiefe. Patrick Sello hat das brillant analysiert. Er war ein sehr intelligenter junger Mann.«

    »Warum kriegt so einer denn keine Hilfe?«, fragte die Bäckerin. »Der Vater hätte dem doch bestimmt ’ne Therapie bezahlen können.«

    »Ach je«, meinte Brinkhoff. »Diese Seelenklempner machen einen doch auch nur in der Richtung fit für diese Gesellschaft, dass man funktioniert und keinesfalls stört und aneckt.«

    Ich musterte Brinkhoff erstaunt. »Das haben Sie aber toll gesagt. Ich hätte nie gedacht, dass ein Exbulle wie Sie sich in profunder Gesellschaftskritik ergeht.«

    Anton Brinkhoff sah mir in die Augen. »Frau Grappa«, meinte er nach einer Weile. »Ich habe in meinem Berufsleben jeden Tag so viel Scheiße gesehen, dass es ein Wunder ist, dass ich nicht

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