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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Kämmerin krankgemeldet hat? Ich habe heute drei Fotos zugemailt bekommen. Von einem Bierstädter, der unterwegs zur Insel Amrum war. Die befindet sich in der Nordsee und ist als Feriengebiet bekannt. Und ratet mal, wer sich ebenfalls auf der Fähre befand? Richtig, unsere Kämmerin. Hier! Wir dürfen die Fotos veröffentlichen.«

    Er reichte drei Abzüge herum. Sie zeigten tatsächlich die abgetauchte Dezernentin mitsamt Begleitung: einer anderen mittelalten Frau und einem tiefergelegten fetten Hund mit braun-weiß-schwarzem Kuh-Look.

    »Und das kann keine Fotomontage sein?«, fragte ich.

    »Nein. Der Mann hat die Kämmerin bis zu ihrer Unterkunft verfolgt. Ich habe daraufhin dort angerufen und mir bestätigen lassen, dass Frau Dr. Liane Muthmann und Lebensgefährtin in der Pension Dünenglück abgestiegen sind. Inklusive Hund.«
    »Was ist das wohl für ein Vieh?«, fragte ich.

    »Eine Englische Bulldogge«, erklärte Jansen. »So hässlich, dass das Vieh schon wieder schön ist. Dieser Hund da heißt übrigens Mobby.«

    »Frau Dr. Muthmann hat ihren Hund nach unserem SPD-Vorsitzenden benannt?«, grinste ich. »Ob Mobby Madig das honoriert?«

    »Was tut man nicht alles für die Karriere«, machte Simon Harras mit.

    Entspanntes Lachen in der Runde. Einen Politiker beim Blaumachen und Lügen zu erwischen, das hatte was. Auch wenn es wohl ohne Konsequenzen bleiben dürfte.

    »Die sollten die Frau rauswerfen!«, forderte Pöppelbaum. »Andere Leute fliegen sofort! Wegen jedem Kleinkram wird heutzutage gekündigt. Einmal Handyaufladen am Arbeitsplatz – und du kriegst die Fristlose. Und erinnert euch an die Frikadelle.«

    »Arbeitnehmer haben eben andere Verträge als eine gewählte Dezernentin«, erklärte unser Chef. »Frau Muthmanns Vertrag läuft noch zwei Jahre. Wenn sie ihr Amt ruhen lässt, wird die Kohle dennoch fällig. Aber – das könnt ihr alles morgen in unserer Zeitung lesen. Leider konnte ich mit Frau Dr. Muthmann nicht reden. Sie hat immerhin einen Spruch auf ihrer Mailbox hinterlassen: dass sie ernsthaft erkrankt sei und sich in einer Klinik befinde.«

    Allgemeines Kopfschütteln.
    »Du, Grappa, hast übrigens in einer Stunde einen Termin bei der Staatsanwaltschaft. Es gibt Neuigkeiten im Amokfall. Und die Schule hat uns mitgeteilt, dass zur Trauerfeier am Samstag der Bundespräsident und zwei Bischöfe anreisen. Das gibt ganz großes Kino. Die ganze Welt wird sich in Bierstadt einfinden und Betroffenheitsreden ablassen.«

    »Diese Reden kennen wir doch schon aus Winnenden, Emsdetten und Erfurt«, seufzte ich. »Aber die Chronistenpflicht ist uns Schreibern ja heilig.«

    »Und das ist auch gut so«, sagte Jansen ernst. »Wir werden über die Trauerfeier angemessen berichten. In einer Sonderausgabe Samstagnachmittag. Die Reden bekommen wir in der Frühe – mit einer Sperrfrist versehen.«

    Bei den restlichen Terminen handelte es sich um Tagesroutine: Harras würde die Neuvorstellung eines Ausnahmetalents beim Fußballbundesligisten besuchen, der Volontär die Rassegeflügelschau in den Westfalenhallen. Nur die lokale Kultur würde morgen keine Rolle spielen. Dr. Margarete Wurbel-Simonis hatte am Morgen einen Krankenschein abgegeben.

     
    Oberstaatsanwalt Abel Ritter wurde von Friedemann Kleist und einem hohen Beamten des Landeskriminalamtes flankiert. Letzterer gehörte zu der Task-Force Amok. Ritter erklärte, dass diese schon gebildet worden war, als die Zahl tödlicher Vorfälle an Schulen begonnen hatte, signifikant zu steigen.

    »Wir können Ihnen heute erste Erkenntnisse zu der Waffe mitteilen, die bei der Tat benutzt worden ist«, fuhr der Oberstaatsanwalt fort. Er griff vor sich und öffnete einen länglichen Sack. Sekunden später hielt er eine Maschinenpistole in den Händen. Blitzlichter flackerten, Kameras surrten.
    »Das ist sie. Heckler & Koch MP5, 9 mm mal 19 Parabellum. Ein Magazin hat dreißig Schuss, bevor nachgeladen werden muss. Sie fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz und kein Waffenschein berechtigt zum Besitz.«

    »Und wie ist Patrick Sello an so eine Waffe gekommen?«, fragte der BILD-Kollege. Er hatte also meinen Artikel gelesen.

    »Das werden wir noch klären müssen.«

    »Die meisten Amokschützen greifen in Papis Waffenschrank. War das auch in diesem Fall so?«, hakte eine Fernsehreporterin nach. Sie hatte einen Block mit dem Logo des ARD-Magazins Monitor vor sich liegen.
    »Herr Sello – und damit meine ich den Vater – besitzt keine Waffen. Er

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